Das Schiffshebewerk Scharnebeck muss ab 2014 weiter saniert werden. Der Elbe-Seiten-Kanal könnte an die Grenzen seiner Kapazität stoßen.

Scharnebeck. Die Binnenschiffer atmen auf. Nach zwei Jahren Zwangspause wegen Sanierungsarbeiten am Schiffshebewerk Scharnebeck, sind endlich wieder beide Tröge in Betrieb. Reibungslos und ohne lange Wartezeiten werden die Schiffe in den Fahrzügen hoch und runter gefahren. Jubeln jedoch können die Schiffer nicht.

"Die Einstellung mancher Behördenvertreter des Wasser- und Schifffahrtverbands nach dem Motto 'Jetzt ist wieder alles gut' kann ich nicht teilen", sagt Binnenschiffer Manfred Maiwald, 75, "das ist doch alles Augenwischerei, marode sind Schleusen und Kanäle im gesamten Bundesgebiet." Ab 2014 stehen ähnlich langwierige Sanierungsarbeiten am Westtrog an "und auch in Uelzen braut sich etwas zusammen", so Maiwald. Im Kreis der Binnenschiffer heißt es: "Die alte Schleuse Uelzen kann noch 1000 Schleusungen schaffen, dann ist sie hin." Das bestätigt Arno Liebrecht, stellvertretender Leiter des Wasser- und Schifffahrtverbands Uelzen: "An der mehr als 30 Jahre alten Schleuse muss etwas gemacht werden. Untersuchungen laufen bereits, im Anschluss wird ein Konzept erstellt."

Es ist abzusehen, dass der Elbe-Seitenkanal ohne den Ausbau des Hebewerkes Scharnebeck unweigerlich an seine Kapazitätsgrenzen stoßen wird. Eine nachhaltige Verlagerung des Verkehrs auf das Binnenschiff wird dadurch unmöglich.

Einen Neubau des Schiffshebewerks am Elbe-Seitenkanal wird es nach dem Willen des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) nicht geben. Dies hatte der Minister dem niedersächsischen Ministerpräsidenten David McCallister (CDU) Anfang März mitgeteilt. Die Begründung: Die Leistungsfähigkeit des Hebewerkes sei "ausreichend, um die prognostizierten Verkehre aufzunehmen und die niedersächsischen Wirtschafts- und Industriegebiete für die nächsten 30 Jahre zuverlässig und mit ausreichender Kapazität mit dem Überseehafen zu verbinden."

Ramsauers Versuch, den sprichwörtlichen Elefanten durchs Nadelöhr zu schieben, stößt auf Kritik. "Bei allem Verständnis für Sparzwänge kann es sich eine Volkswirtschaft wie die deutsche nicht erlauben, an einer so entscheidenden Stelle bloße Mangelverwaltung statt bedarfsorientierter Investitionen zu betreibt", sagt Georg Hötte, Präsident des Bundesverbands der deutschen Binnenschifffahrt.

Die Entscheidung des Ministers steht im Widerspruch zu den verkündeten Absichten des Bundesverkehrsministeriums und des Hafens Hamburg, die mit Binnenschiffen abgefertigten Gütermengen im Hamburger Hinterlandverkehr in den kommenden Jahren zu verdoppeln.

Probleme sieht die Hafen- und Schifffahrtsbranche zudem für die Zukunft des Containerverkehrs. Auch bei den Leercontainern ist ein stärkerer Einsatz des Binnenschiffs geplant. "Der Hamburger Hafen benötigt die Binnenschifffahrt für sein angestrebtes Wachstum im Containerverkehr. Viele Binnenhäfen im Hinterland sind schon jetzt gut für steigende Containermengen gerüstet oder werden es zeitnah sein", sagt Maiwald. Der Ausbau oder Neubau des Schiffshebewerks Scharnebeck ist allerdings zwingend erforderlich, um im Wettbewerb mit der Straße und Schiene konkurrenzfähig zu sein. Andernfalls wird der Stau im Hamburger Hafen unvermeidlich sein.

"Im Hamburger Hafen fehlen Plätze für Leerdepots. Diese sollen vermehrt im Umland entstehen und die Container dann mit dem Binnenschiff abgefahren werden, da der Transport mit Bahn und Lkw bereits heute an seine Kapazitätsgrenzen stößt", sagt Maiwald. Der überbordende Schwerlastverkehr auf den Autobahnen sei nicht zu übersehen. "Schon jetzt befahren Lkw oft zwei Spuren. Bald werden es drei sein", vermutet Maiwald, der sich im Vorstand des Bundesverbands der Selbständigen-Binnenschifffahrt engagiert.

Die Verbände fordern Ramsauer auf, die Mittel für den Erhalt der Wasserstraßen endlich nachhaltig zu erhöhen. Die Binnenschifffahrt auf dem Elbe-Seiten-Kanal sei derzeit unkalkulierbar geworden. Die Zuverlässigkeit und das Image des Binnenschiffs würden dadurch schwer geschädigt. Wer die Wasserstraßen kaputt spare, müsse am Ende verantworten, dass sich der Verkehr weiter auf die Straße verlagere.

Unterstützung erhalten Verbände und Schiffer von der Handelskammer Hamburg. Christine Beine, stellvertretenden Geschäftsführerin für den Geschäftsbereich Infrastruktur, sagt: "Das Schiffshebewerk Scharnebeck ist für die Abwicklung der Hinterlandverkehre des Hamburger Hafens ebenso wichtig wie eine Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse auf der Mittel- und Oberelbe, da insbesondere schwere Ladung über den Elbe-Seiten-Kanal transportiert wird. Der Bund sollte einen Weg aufzeigen, wie ein bedarfsgerechter Ausbau des Hebewerks mittelfristig zu realisieren ist. Schließlich können Verkehrsverlagerungen 'from sea to road' weder im Sinne der Umwelt noch im Sinne der Sicherheit bei den zahlreichen Gefahrguttransporten sein."