Land Schleswig-Holstein will den Umgang mit Drogen liberalisieren. Politiker debattieren um eine angemessene Eigenbedarfsmenge.

Kiel. Die Dänen-Ampel ist mit ihrer neuen Drogenpolitik auf einem alten Trip. In den 90er-Jahren war Schleswig-Holstein das Musterland für Junkies. Juristen wie der Lübecker Richter Wolfgang Neskovic stritten bis zum Bundesverfassungsgericht für ein "Recht auf Rausch", Politiker wie Sozialministerin Heide Moser (SPD) kämpften für eine staatlich kontrollierte Abgabe von Haschisch.

Neue Ansätze wie das ,,drug checking" (einen Qualitätstest für Drogen zum Beispiel vor Discos oder bei Konzerten) seien überfällig, sagte Neskovic gestern dem Abendblatt. "Die Dänen-Ampel ist in der Drogenpolitik auf dem richtigen Weg." Das gelte auch für den Beschluss, Haschkonsumenten eine höhere straffreie Eigenbedarfsmenge zuzubilligen. Dass ein Bundesland beim Besitz von illegalen Drogen überhaupt legal ein Auge zudrücken kann, hatte einst Neskovic selbst erstritten. Der Lübecker Richter schaltete vor 20 Jahren das Bundesverfassungsgericht ein, das zwei Jahre später Cannabis zwar nicht legalisierte, aber die Strafverfolgung beim Besitz von nur geringen Mengen für unverhältnismäßig erklärte. Der Haken: Die Karlsruher Richter legten nicht fest, bei wie viel Gramm Hasch der Eigenbedarf aufhört.

Eine Mehrzahl der Länder, darunter Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, halten eine Eigenbedarfsmenge von sechs Gramm für angemessen. Das reicht für 18 Joints. "Die Grünen sind für 15 Gramm", sagte die Landesvorsitzende des Parteinachwuchses, Lydia Rudow. Damit würde Schleswig-Holstein zum Spitzenreiter Berlin aufschließen. Der SPD-Drogenexperte Peter Eichstädt hält eine Anhebung auf zehn Gramm für genug. "Je höher die Menge ist, desto einfacher machen wir es den Dealern." Sie haben meist so viel Hasch in der Tasche wie gerade noch geduldet. Neskovic fordert die Kieler Politiker auf, mehr Mut zu zeigen. "Ich halte 30 Gramm für angemessen", sagt der Ex-Richter, der heute als Parteiloser für die Linken im Bundestag sitzt und als Justiziar der Fraktion einen der Schlüsselposten innehat. Die 30 Gramm, die bis vor fünf Jahren in Schleswig-Holstein galten, hätten sich bewährt, so Neskovic. Im Norden sei der Drogenkonsum gesunken.

+++ Kein Recht auf Rausch +++

Der Jurist, der Cannabis am liebsten legalisieren würde, plädiert auch mit Blick auf die legale Droge Alkohol auf eine deutlich höhere Eigenbedarfsmenge. "Wer Wein mag, hat einen gut sortierten Weinkeller." Und viele Biertrinker hätten nicht nur zwei Flaschen im Kühlschrank, sondern einen ganzen Kasten im Keller. "Ein bisschen Vorrat hat jeder." Suchtexperten überzeugt das nicht. Sie halten jede Debatte über Grenzwerte für schädlich, weil Drogen verharmlost werden. Als trauriges Beispiel gilt der im Ansatz gescheiterte Versuch von Heide Moser, geprüftes Hasch in Apotheken zu verkaufen. Danach standen Beratungsstellen mit Aufklärungskampagnen über die Gefahr von Cannabis auf verlorenem Posten.

Zündstoff birgt auch ein weiteres Drogenprojekt der Dänen-Ampel. Sie will Städten und Gemeinden über eine Landesverordnung ermöglichen, Fixerstuben wie in Hamburg aufzumachen. Dort gibt es fünf Einrichtungen, in denen etwa Heroinsüchtige sich unter ärztlicher Aufsicht ihre Spritze setzen. Bedarf sieht Rudow vor allem in Kiel, Lübeck und Städten im Hamburger Umland. Einen Junkie-Tourismus nimmt die Jung-Grüne in Kauf. "Wir haben nichts dagegen, wenn Leute aus Hamburg kommen. Je mehr Menschen wir helfen können, desto besser."

Die Forderung der Jung-Grünen Rudow, den Moser-Modellversuch in den nächsten Jahren aufzugreifen und endlich umzusetzen, lehnten SPD und SSW in der Koalitionsrunde ab - auch aus Sorge, die Dänen-Ampel könnte bundesweit vollends als Kifferkoalition Schlagzeilen machen.