Seit 1460 gehören Schleswig und Holstein zusammen

In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und anderen Bindestrich-Ländern ist das Landesbewusstsein nicht sonderlich ausgeprägt. Man ist Sauerländer, Westfale oder Badener. In Schleswig-Holstein ist das anders. Wann immer im Land zwischen den Meeren das Schleswig-Holstein-Lied erklingt, stimmen (fast) alle in die Hymne auf ihr Heimatland ein, dessen Bindestrich seit mehr als 500 Jahren Bestand hat. Im Vertrag von Ripen, 1460, wurde die Verbindung von Schleswig und Holstein mit dem Versprechen besiegelt, "dat se bliven ewich tosamende ungedeelt".

Trotz dieses historischen Pakts hat sich der Zuschnitt beider Landesteile über Jahrhunderte im Konflikt mit den Nachbarn Dänemark und Hamburg deutlich verändert. Schleswig schrumpfte infolge des Ersten Weltkriegs und einer Volksabstimmung im Grenzland 1920. In Kreisen wie Apenrade, Hadersleben oder Sonderburg entschied sich eine Mehrheit für Dänemark, in Flensburg und Husum für Deutschland.

Dies- und jenseits der neuen Grenze leben seitdem nationale Minderheiten, etwa 20 000 deutsche Nordschleswiger in Dänemark, etwa 50 000 dänische Südschleswiger in Deutschland. In den jeweiligen Regionalparlamenten sind die Parteien der Minderheiten vertreten, im Kieler Landtag der Südschleswigsche Wählerverband (SSW).

In Holstein ging und geht es noch bunter zu. Das Herzogtum Lauenburg wurde erst 1876 der damals preußischen Provinz Schleswig-Holstein zugeschlagen. Die Hansestadt Lübeck, über Jahrhunderte eigenständig, kam 1937 durch das Groß-Hamburg-Gesetz hinzu. Im Gegenzug verlor Holstein nicht nur die Städte Altona (samt Blankenese) und Wandsbek an Hamburg, sondern auch zahlreiche Gemeinden wie Billstedt, Bramfeld, Lokstedt, Niendorf, Rahlstedt, Sasel, Schnelsen oder Steilshoop.

Ein weiterer Sonderfall in der holsteinischen Geschichte ist der Kreis Dithmarschen. Die einstige Bauernrepublik wurde formal erst 1867 in die preußische Nordprovinz eingegliedert und fremdelt wie auch Lübeck bis heute mit Schleswig-Holstein und insbesondere der Landeshauptstadt Kiel.

Wie die Gebietskulissen haben sich über Jahrhunderte auch die Machtverhältnisse in Schleswig-Holstein verschoben, zulasten Schleswigs und zugunsten Holsteins, das auch dank Hamburg aufblühte. Im Landesteil Schleswig (Flensburg, Nordfriesland, Schleswig-Flensburg und der nördliche Teil des Kreises Rendsburg-Eckernförde) leben heute auf einem Drittel der Landesfläche nur gut 550 000 Menschen, in Holstein fast 2,3 Millionen, wobei das Hamburger Umland den stärksten Bevölkerungszuwachs verzeichnet.

Die vier Randkreise (Pinneberg, Segeberg, Stormarn, Herzogtum Lauenburg) haben inzwischen knapp 980 000 Einwohner. Mehr als jeder dritte Schleswig-Holsteiner (34,6 Prozent) wohnt damit im Speckgürtel. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren lebten im Umland 900 000 Menschen, knapp 33 Prozent der Schleswig-Holsteiner.

Die wachsende Bedeutung des Hamburger Umlands zeigt insbesondere ein Blick auf die Städte. Norderstedt dürfte in einigen Jahren Neumünster den Rang als viertgrößte Kommune ablaufen, Elmshorn hat schon heute doppelt so viele Einwohner wie Schleswig, das Gleiche gilt für Pinneberg im Vergleich zu Husum. Wedel und Ahrensburg sind größer als Rendsburg.

Aus dem wachsenden Süd-Nord-Gefälle in Schleswig-Holstein haben die Verkehrsplaner bereits Konsequenzen gezogen. Die Autobahn 7, die entlang des historischen Ochsenweges verläuft und 1978 fertiggestellt wurde, soll ab 2014 für 280 Millionen Euro von vier auf sechs Spuren ausgebaut werden; vorerst allerdings nur im Landesteil Holstein von der Landesgrenze zu Hamburg bis zum Bordesholmer Dreieck. Ob und wann das Reststück durch den Landesteil Schleswig bis zur Grenze nach Dänemark folgt, ist offen.