Ein Schleswig-Holsteiner bekommt Recht und siegt vor dem Bundesgerichtshof. Seine Ex-Freundin muss sagen, von welchem Mann ihr Kind ist.

Karlsruhe. Reinhard Sch., 49, wollte es genau wissen. Ist er wirklich der Vater des Kindes, das seine Ex-Freundin zur Welt brachte? Und wenn nicht, wer ist es dann? Der aus gesundheitlichen Gründen frühpensionierte Bundespolizist aus Schleswig-Holstein klagte bis zur letzten Instanz. Und bekam recht. Mütter können sich bei der Frage nach dem Namen des Kindsvaters nicht mehr auf ihre Privatsphäre zurückziehen und schweigen. Vielmehr haben alle Beteiligten das Recht, die Wahrheit zu erfahren - auch die Scheinväter.

Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Mittwoch hervor. Damit hat der BGH in Karlsruhe das Recht der Männer weiter gestärkt, denen ein Kind untergeschoben wurde oder werden soll. Damit folgen die Richter der Tendenz der vergangenen Jahre. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht den Kindern das Recht zugestanden, die Wahrheit über ihre Väter zu erfahren. Der Anspruch des Kindes wurde höher bewertet als das Recht der Mütter, dieses Wissen für sich zu behalten.

Wie aber sieht es mit dem Recht der Männer aus, denen ein Kind untergeschoben wird und die - wenn sie es herausfinden - an der Mauer des Schweigens abprallen? Eine gesetzliche Regelung für diese Fälle fehlt. Deshalb müssen die Richter die verschiedenen Werte gegeneinander abwägen: informationelle Selbstbestimmung der Frau gegen den Rechtsschutz des Mannes.

Im vorliegenden Fall hat ein Mann aus dem Raum Rendsburg geklagt. Nachdem er sich von seiner Partnerin getrennt hatte, bekam diese ein Kind und gab ihn als Vater an. Von seiner Vaterschaft sei sie auch überzeugt gewesen, sagte sie in den ersten Verhandlungen. Das Ergebnis des Vaterschaftstests habe sie selbst überrascht.

+++ Mütter müssen Vater ihres Kindes preisgeben +++

Enttäuscht verlangte der ehemalige Freund das Geld für Babyausstattung und Unterhalt zurück, insgesamt rund 4500 Euro. Diese Summe wollte er vom wirklichen Vater des Kindes haben. Ein Mann zahlte inzwischen auch Unterhalt für das Kind. Doch die Frau weigerte sich, dessen Identität preiszugeben - Reinhard Sch. klagte. Das Verfahren ging durch alle Instanzen.

Bereits das Amtsgericht Rendsburg und das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht Schleswig urteilten, dass der Mann das Recht habe, den Namen des Vaters zu erfahren. Der juristische Begriff dafür heißt Treu und Glauben. Danach ist die Frau in der Pflicht, ihren ehemaligen Partner nicht über die Vaterschaft im Ungewissen zu lassen.

Die obersten Richter sind sich durchaus bewusst, dass sie mit ihrer Entscheidung die Persönlichkeitsrechte der Mutter einschränken. Aber die Intimsphäre umfasse ebenfalls "die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner", schreiben die Richter des 12. Zivilsenats in der Urteilsbegründung (Aktenzeichen: XII ZR 136/09). Zum Kinderzeugen gehören eben immer zwei. Zudem habe die Frau mit der Nennung des falschen Vaters einen Teil ihrer Rechte verwirkt.

"Kuckuckskinder machen erfahrungsgemäß immer Schwierigkeiten", brachte die Vorsitzende Richterin Meo-Micaela Hahne die Stimmung auf den Punkt. Die Frage der Vaterschaft spielt in solch komplizierten Beziehungen zwar eine wichtige Rolle, aber der Familienfrieden ist mit dieser Offenheit meist noch längst nicht hergestellt.

Der Fall barg für den Bundesgerichtshof mehrere Fallstricke. So gibt es keine gesetzliche Auskunftspflicht der Mütter - außer in direkten Unterhaltsfragen. Im vorliegenden Fall will der Kläger jedoch sein Geld nicht von der Frau, sondern von einem ihm unbekannten Mann zurück. An dieser Stelle taucht die Frage auf: Kann er die Frau verklagen, obwohl er seine Ansprüche nicht gegen sie, sondern gegen den wahren Vater geltend machen will? Und zu guter Letzt: Wiegt die Privatsphäre der Frau nicht stärker als der wirtschaftliche Nachteil des Scheinvaters?

Immerhin habe die Frau zu der fraglichen Zeit Geschlechtsverkehr mit mindestens einem anderen Mann gehabt. "Deshalb ist die Frage, ob sie helfen muss, den wirtschaftlichen Schaden des Klägers abzuwenden", sagte die Vorsitzende Richterin Hahne.

Der Anwalt der Frau verwies in der Verhandlung darauf, dass der richtige Vater gar nicht feststehe. Zwar zahle inzwischen ein anderer Mann den Unterhalt für das Kind, aber dies sei noch lange kein Beweis.

Nach diesem Urteil muss dem Kläger der Namen des Kindsvaters genannt werden. Aber der Anwalt der Frau merkte bereits an, dass überhaupt nicht sicher sei, ob der andere Mann wirklich der Vater ist. "Immerhin hat Ihr Mandant das auch mal geglaubt", sagte der Anwalt in Richtung Klägerbank.

Es droht also ein neuer Prozess, bei dem möglicherweise ein Vaterschaftstest erzwungen werden muss.