Der Bremer Senatorin Jürgens-Pieper kritisierte zudem die mangelhafte Informationspolitik der Klinik. Woher kamen die tödlichen Keime?

Bremen. Nach dem Tod von drei frühgeborenen Babys in einer Bremer Klinik, die mit einem resistenten Keim infiziert waren, kritisiert Bremens Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) die Leitung des Krankenhauses. „Das hat noch Konsequenzen anderer Art“, sagte sie nach einem Bericht der Zeitung „Weser-Kurier“ in der Gesundheitsdeputation (einem Ausschuss) der Bürgerschaft. „Spätestens im Oktober nach Wiederausbruch hätte man mich und die Deputation informieren müssen.“

Diethelm Hansen, der Chef des Klinikverbundes Gesundheit Nord, zu dem das Klinikum Bremen-Mitte gehört, betonte, sein Haus habe alles getan, um die Todesfälle aufzuklären. Die Behörden seien informiert worden. Die ersten Infektionen waren Ende Juli aufgetreten, das erste Frühchen war im August gestorben, zwei weitere im Oktober. Erst am Mittwoch wurden die Fälle öffentlich gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Staatsanwalt Uwe Picard sagte gegenüber bild.de, man prüfe unter anderem, ob Mitarbeiter die Ursache für die Infektionen sein könnten.

Die CDU im niedersächsischen Landtag forderte von der rot-grünen Regierung in Bremen eine schnelle Aufarbeitung. Fraktionschef Björn Thümler sagte dem Hörfunksender Hit-Radio Antenne in Hannover: „Man muss erwarten, dass jetzt unverzüglich aufgeklärt wird, weil es nicht sein kann, dass so etwas – in welchen Ebenen auch immer – verschleppt wird.“

Seit August waren insgesamt drei Frühchen an multiresistenten Bakterien gestorben. Diese gehören zu den gefürchteten Krankenhauskeimen. Die Gattung Klebsiella, die nach dem Mikrobiologen Edwin Klebs benannt ist, verursacht hauptsächlich Lungenentzündung. Sie kann auch eine Darm-, selten eine Hirnhautentzündung hervorrufen.

Mindestens zwölf weitere Babys wurden infiziert, einige von ihnen sind schwer erkrankt. Die Herkunft der Keime ist immer noch nicht bekannt. "Wir kennen leider nicht die Quelle der Infektion", sagte der Gesundheitsstaatsrat Joachim Schuster. Der Geschäftsführer des Klinikverbunds, Diethelm Hansen, ergänzte: "Wir stehen an einem Punkt, an dem wir noch nicht endgültig wissen, ob wir das Problem im Griff haben."

Seit Ende Juni wurde der gefährliche Keim bei 15 Kindern nachgewiesen. Davon seien sieben schwer erkrankt, drei Kinder starben - am 8. August sowie am 16. und 27. Oktober. "Wir haben natürlich auf der Station Maßnahmen eingeleitet, die eine weitere Verbreitung des Keims verhindern", sagte Hansen. Danach sei die Zahl der Infektionen auch zurückgegangen, bis Ende Oktober erneut ein Baby daran gestorben sei. "Die Ursache ist extrem schwierig zu finden", sagte Schuster. Die Quelle könnten Menschen, aber auch Gegenstände sein.

Das Robert-Koch-Institut schickte ein Krisenteam

Nach Informationen von Radio Bremen sollen mindestens zwei der Neugeborenen durch eine verunreinigte Nährlösung ums Leben gekommen sein. Dies bestätigte die Klinik aber nicht. Bereits am Nachmittag hatte das Krankenhaus von einem "schweren hygienischen Vorfall" gesprochen.

Ein Krisenteam des Robert-Koch-Instituts sei im Klinikum, um die Situation zu untersuchen, teilte ein Sprecher des Betreibers Gesundheit Nord mit. Mit ersten Ergebnissen könne aber erst in den nächsten Tagen gerechnet werden. Die Frühchenstation wurde geschlossen. Polizei und Staatsanwaltschaft bestellten Zeugen ein und begannen mit Ermittlungen. Nähere Angaben zu den Todesfällen wollten die Fahnder zunächst nicht machen.

"Wir erwarten restlose Aufklärung, wie es zu den Todesfällen kommen konnte. Wir wollen insbesondere auch wissen, ob sich tatsächlich schon im August ein Todesfall ereignet hat und wer diese Information zurückgehalten hat. Sollte sich das bewahrheiten, muss das Konsequenzen haben", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Bremer Grünen, Kirsten Kappert-Gonther. Die Grünen bilden in Bremen eine Koalition mit der SPD.

Die oppositionelle CDU forderte sofort eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle und zeigte sich schockiert. "Es ist das Schlimmste, was Eltern nach der Geburt eines Kindes passieren kann", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Partei, Rainer Bensch.

Immer wieder sorgen Todesfälle von Frühchen in Kliniken bundesweit für Aufsehen. Anfang Oktober hatte sich ein frühgeborener Junge in der Passauer Kinderklinik mit einem solchen multiresistenten Keim angesteckt und war gestorben. Drei andere Säuglinge, die sich ebenfalls infiziert hatten, wurden wieder gesund. Im August 2010 hatte bereits der Tod von drei Babys in der Mainzer Uniklinik für Aufregung gesorgt. Zwei von ihnen kamen wegen einer verseuchten Nährlösung um. Das dritte Kind erlag seinen Vorerkrankungen. Die Klinik traf den Ermittlungen zufolge keine Schuld.

Die Zahl von Frühgeburten hat in Deutschland in den vergangenen Jahren zugenommen. Inzwischen ist fast jedes zehnte neugeborene Kind ein sogenanntes Frühchen. Als Frühgeburt gelten Kinder, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche lebend auf die Welt kommen.

Experte fordert mehr Personal

Für bessere Hygiene in Krankenhäusern muss es nach Expertenansicht auch ausreichendes Personal geben. „Wir haben oft eine personelle Unterbesetzung, dann kann man manches nicht mehr so sorgfältig machen“, sagte Klaus-Dieter Zastrow von der Gesellschaft für Krankenhaushygiene am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“ mit Blick auf den Tod von drei Frühchen in einer Bremer Klinik.

Es fehle gerade in den Frühchen-Stationen nicht an speziellem Wissen um Hygiene-Standards. Vielmehr sei das Personal meist überfordert, weil zu wenig Menschen sich um zu viel kümmern müssten. Ob das auch in Bremen der Fall war, sei aber noch unklar.

„Wenn das Personal zu knapp ist, geht die Infektionsgefahr rapide nach oben“, sagte Zastrow. Das zeigten Studien. „Das ist filigrane Arbeit bei den Frühchen, da kann man nicht zwischen sechs Kindern hin- und herspringen.“

Bei den verantwortlichen Keimen, die die Säuglinge das Leben kosteten, handle es sich um übliche Krankenhauskeime. „Aber diese kleinen Kinder haben praktisch keine Abwehrkräfte“, sagte der Fachmann. In dem Bremer Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft - zurzeit werden in der Klinik keine Frühchen mehr aufgenommen.

ESBL – wenn Bakterien Antibiotika ausschalten =

Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, stellen für die Medizin ein zunehmendes Problem dar. Gerade abwehrgeschwächte Menschen in Krankenhäusern und Arztpraxen seien gefährdet, warnen Fachleute. Darmbakterien, die Antibiotika wie Penicillin durch genetische Veränderungen mit Hilfe von Enzymen ausschalten, sind eine ständige Bedrohung.

Sie werden auch ESBL-Bildner genannt – die Abkürzung für Extended-Spectrum-Beta-Laktamasen. ESBL bezeichnet also keinen bestimmten Keim, sondern die Eigenschaft unterschiedlicher Keime, Antibiotika zu inaktivieren. Obwohl ESBL nicht so leicht übertragbar ist wie der Krankenhauskeim MRSA, nehmen die Infektionen damit stark zu.

Hauptursache für die Entstehung multiresistenter Bakterien sind der unkritische Einsatz von Antibiotika und unzureichende Hygiene, warnen Mediziner. Der Nachweis von ESBL ist aufwendig und dauert mehrere Tage. Die Übertragung erfolgt meist über kontaminierte Hände. Gefahr droht vor allem bei Harnwegs- und Hautinfektionen sowie bei Sepsis – im Volksmund oft „Blutvergiftung“ genannt.

Fachleute schätzen die Zahl der Infektionen durch multiresistente Erreger in Deutschland auf insgesamt 400.000, die der Todesfälle auf 10.000 im Jahr.

Insbesondere bei den ESBL-bildenden Darmbakterien sei die Zunahme gefährlich. Denn für diese Erreger gebe es in absehbarer Zeit keine neuen Antibiotika. Manche Darmbakterien sind bereits gegen alle bekannten Antibiotika resistent. Ärzte fordern daher einen sparsameren Umgang damit.