40 Jahre alter Weltumsegler verschwindet auf Nuku Hiva. Behörden suchen einheimischen Jäger. Kannibalismus nicht ausgeschlossen.

Haselau. Mehr als zwei Stunden kämpften sich die französischen Gendarmen durch den dichten Urwald Nuku Hivas, angeführt von einem einheimischen Spurenleser, bis sie auf eine große Feuerstelle stießen. Die Asche war über mehrere Quadratmeter verteilt, die verschmorten Unterseiten der Blätter an den danebenstehenden Bäumen verrieten, dass an diesem Ort im äußerst abgelegenen Hakaui-Tal ein besonders großes Feuer gelodert haben muss. Bis zu sieben Meter hoch müssen die Flammen geschlagen haben.

Als die Beamten die Asche durchwühlten, machten sie eine grausige Entdeckung. Verstreut lagen Knochen, Zähne mit Prothesen, Kleiderreste, Knöpfe und verschmortes Metall. Damit waren die Polizisten am Ziel ihrer Suche angelangt. Die französischen Behörden glauben, dass der aus Schleswig-Holstein stammende Weltenbummler Stefan R. an diesem sonst so paradiesischen Ort getötet wurde. Tatverdächtig ist ein 31 Jahre alter Jäger, mit dem Stefan R. vor knapp einer Woche im Busch verschwand. Nach Henri H., so soll der Jäger heißen, wird jetzt wegen Mordes gesucht. Das Bundeskriminalamt hat sich in die Ermittlungen eingeschaltet.

Der Traum von der Weltumsegelung könnte für den Norddeutschen in einem Albtraum geendet haben. Zusammen mit seiner Freundin Heike D. war der 40-Jährige aus Haselau im Kreis Pinneberg vor mehr als drei Jahren von der Türkei aus zu einem Trip aufgebrochen, um den sie viele beneideten. Mit ihrem 14 Meter langen Katamaran "Baju" wollten sie die Meere erkunden, menschenleere Strände und malerische Buchten entdecken. Mitsegler waren immer willkommen. Im Internet wird "abseits der Routen für einen sehr individuellen und außergewöhnlichen Urlaub in exotischen Revieren garantiert". Und: "Wenn Interesse besteht, kann eine hardcore Tauch-, Surf- und Kiteodyssee organisiert werden." Laut Törnplanung stand bis März 2012 "Cruising in den Atollen von Papeete, Moorea und Tetiaroa" auf dem Programm. Danach sollte es in den Südpazifik gehen, Weihnachten 2012 sollte in Neuseeland gefeiert werden.

+++Sie überlebten die Todeswelle+++

Als die beiden Segler Ende August die zu Französisch-Polynesien gehörende Südsee-Insel Nuku Hiva erreichten, Tausende Kilometer östlich von Australien, beschlossen sie, länger zu bleiben. Sie ankerten in der malerischen Anaho-Bucht, wo sie vor knapp einer Woche eine verhängnisvolle Bekanntschaft gemacht haben sollen: Sie lernten den Jäger Henri H. kennen, der Stefan R. zu einem Jagdausflug einlud.

Wie die 37 Jahre alte Freundin des mutmaßlichen Opfers ausgesagt haben soll, marschierten beide am Folgetag los, allerdings sei der Jäger kurze Zeit später allein zurückgekehrt. Ihr Freund brauche nach einem Unfall Hilfe. Auf dem Weg zu ihm soll sie der Jäger dann jedoch bedroht, entkleidet, belästigt und an einen Baum gebunden haben. Wie die Zeitung "Dépeche de Tahiti" berichtet, habe sie sich jedoch befreien können. Von ihrem Freund und dem Jäger fehlen seitdem jede Spur.

Für Staatsanwalt José Thorel steht fest, dass die große Feuerstelle Ort eines Verbrechens ist. Sicher sei, dass in den Flammen ein menschlicher Körper zusammen mit Tierkadavern verbrannt wurde. Zuvor soll der Tote noch zerstückelt worden sein. Ob der Tote Stefan R. ist, ist aber bislang nur Vermutung, auch wenn die französischen Behörden betonen, dass es handfeste Beweise für diese Annahme gebe. Gewissheit soll eine DNA-Analyse bringen. Knochen und andere Überreste wurden an ein Labor der Pariser Gendarmerie geschickt. Mit einem Ergebnis ist aber erst in einigen Wochen zu rechnen.

Seit Bekanntwerden der Ermittlungen machen immer wieder auch Gerüchte die Runde, Stefan R. sei von einem Kannibalen getötet worden. Die Behörden haben entsprechende Berichte zurückgewiesen. Doch sie kommen nicht von ungefähr. Kannibalismus soll bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts Teil der kriegerischen Kultur auf Nuku Hiva gewesen sein.

Stefan R. machte 1990 sein Abitur am Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasium, studierte danach Wirtschaftsingenieurswesen an der Fachhochschule Wedel und European Business Management in Schweden. Laut seinem Internetprofil war er unter anderem bis 1999 freiberuflich als Berater von namhaften Unternehmen wie Coopers &Lybrand und Pricewaterhouse tätig. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur, der auf seiner Internetseite als "Käpt'n und Freizeitberater" auftritt und nach "Freiheit & Abenteuer" sucht, hat das Segeln im Wassersport-Club Haseldorf erlernt. Er gilt als sehr erfahrener Segler, der beim Sport seine Grenzen austestete, keinesfalls aber als leichtsinnig.

Schon einmal waren der Skipper und seine Freundin in den Schlagzeilen: Nur durch einen glücklichen Zufall überlebten sie den verheerenden Tsunami an der thailändischen Küste am 2. Weihnachtstag 2004. Als die Welle auf das Land traf, waren sie mit einem Tauchboot zu den Similian Islands unterwegs. Die Welle lief unter ihnen hindurch, fast unbemerkt. Erst bei ihrer Rückkehr sahen sie die Katastrophe.

Der deutsche Konsul Dieter Flach hat unterdessen Kontakt zu Heike D. aufgenommen und ihr Hilfe angeboten. Zudem sei die deutsche Botschaft im australischen Canberra über den Fall informiert worden. Doch zunächst warten alle auf die DNA-Analyse.