Mehr als jeder zweite Pädagoge glaubt, dass er die Belastung nicht bis zum 65. Lebensjahr aushält

Lüneburg. Zeitdruck, Stress mit Schülern und Ärger mit Kollegen: Rund 60 Prozent der Lehrkräfte an deutschen Schulen haben Zweifel, ob sie bis zur üblichen Pensionsgrenze von 65 Jahren durchhalten. Frauen trifft es besonders häufig, so das Ergebnis einer Studie der Leuphana-Universität Lüneburg im Auftrag der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK).

Danach können 45 Prozent der über drei Jahre mehrfach befragten 1300 Lehrer nach der Arbeit schlecht abschalten, sie sind häufig in Gedanken bei den Schwierigkeiten und Problemen aus der Schule, fühlen sich gelegentlich "wie ein Nervenbündel".

Befragt wurden Lehrer aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, aber auch aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen.

Die Studie führt als "möglichen Erklärungsansatz" die spezifische Arbeitssituation der Lehrer an, weil durch die Unterrichtsvorbereitung zu Hause die Probleme quasi ins Privatleben gezogen werden. Eine Folge: Derzeit erreichen nur 40 Prozent der Lehrkräfte die Regelaltersgrenze von 65 Jahren. Dazu passt, dass von den Befragten nur 40 Prozent glauben, dass ihr Gesundheitszustand es zulässt, bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten.

Auffällig an der Studie des Zentrums für Angewandte Gesundheitswissenschaften der Lüneburger Universität ist, dass die subjektive gesundheitliche Beanspruchung der Lehrer unabhängig von der Schulform um bis zu 20 Prozent auseinanderklafft. Klar wird dadurch, dass die Schulleitungen mit ihrem Verhalten entscheidend dazu beitragen, ob Lehrer sich auch bei schwierigen Problemsituationen gut aufgehoben fühlen. Auch die Solidarität des Lehrkollegiums schlägt auf die Fähigkeit durch, den stressigen Schulalltag zu bewältigen. In der Sprache der Wissenschaft: "Ein wesentlicher Schutzfaktor ist das soziale Klima und die gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung innerhalb der Schule."

Die DAK hat die Studie im Rahmen ihrer Initiative zur Entwicklung einer gesunden Schule in Auftrag gegeben. Auffällig bei den Ergebnissen ist auch, dass nur knapp 18 Prozent der Grundschullehrer glauben, sie könnten es bis zur Regelaltersgrenze schaffen, das ist der niedrigste Wert aller Schulformen. Dagegen rechnen 50 Prozent der Pädagogen an Gesamtschulen damit, bis zum 65. Lebensjahr zu unterrichten.

Die Befragung ergab zudem die Faktoren, die als besonders belastend empfunden werden: Zeitdruck und fehlende Erholungspausen liegen vorn, gefolgt von zu großen Leistungsunterschieden der Schüler, der stimmlichen Belastung und der Lärmbelastung sowie eine zu geringe Lernbereitschaft der Schüler und Schülerinnen.

Gesunde, belastbare Lehrer aber sind nicht nur ein Vorteil für die Landeskasse, die ohnehin immer höhere Pensionszahlungen leisten muss. Die Studie weist ausdrücklich auf den Zusammenhang mit der Unterrichtsqualität hin. Befragt wurden nämlich nicht nur 1300 Lehrer an 29 Schulen, sondern auch fast 6000 Schüler. Und diese bewerteten die Unterrichtsqualität jener Lehrer eindeutig höher, die gelernt haben, abzuschalten und sich von dem Beruf nicht auffressen zu lassen. Die Schüler bestätigen solchen Lehrern auch ein hohes Einfühlungsvermögen und Interesse an Schülerinnen und Schülern.

Die Linksfraktion im niedersächsischen Landtag reagierte gestern auf die Studie mit der Forderung nach kleineren Klassen. Und auf das geplante höhere Pensionsalter von 67 Jahren auch für Lehrer solle die CDU/FDP-Landesregierung verzichten. Die Autoren der Studie dagegen betonen einerseits, wie wichtig angemessenes Verhalten der Schulleitungen ist. Andererseits kommen sie zu ganz praktischen Tipps für die betroffenen Lehrer. Sie sollen Freizeit und Arbeitszeit deutlich trennen, das Ende der Arbeitszeit mit kleinen Ritualen wie Teetrinken oder Spaziergang deutlich markieren. Und von einer weiteren Empfehlung würden auch gleich noch die Schüler profitieren: Die Lehrer sollen kurze Phasen der Entspannung in den Unterricht oder die Pausen für alle Beteiligten einbauen.