Schleswig-Holsteins CDU-Fraktionschef Johannes Callsen beklagt, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nehme den Nachbarn nicht ernst.

Hamburg. In dem ersten großen Interview als neuer CDU-Fraktionsvorsitzender in Schleswig-Holstein spricht Johannes Callsen auch über Hamburgs Doppelmoral beim Glücksspiel.

Hamburger Abendblatt: Herr Callsen, 2011 ist die CDU in Hamburg, Bremen und anderswo abgestraft worden, 2012 wird in Schleswig-Holstein gewählt. Keine gute Voraussetzung.

Johannes Callsen: Sie haben Berlin vergessen. Da haben wir dazugewonnen.

Gut zwei Prozentpunkte, mehr nicht.

Callsen: Aber immerhin haben wir einen Trend gestoppt und nicht verloren. Sicherlich findet die Wahl in Schleswig-Holstein in einem schwierigen Umfeld für uns statt. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit den eigenen Themen wie der Finanzpolitik in Schleswig-Holstein klare Akzente setzen können.

Auch aus Berlin kommt Gegenwind.

Callsen: Ich hoffe, dass die Signale aus Berlin für uns positiver werden. Dafür muss die Euro-Krise gelöst werden. Und dies wird der Bundesregierung rechtzeitig gelingen.

Die Christdemokraten in Schleswig-Holstein haben auch hausgemachte Probleme. Sie haben ihren Spitzenkandidaten Christian von Boetticher verloren.

Callsen: Wir schauen in der CDU gemeinsam nach vorne. Jost de Jager hat für eine positive Wirtschaftsbilanz für Schleswig-Holstein gesorgt. Am Sonnabend werden wir ihn zum neuen Landesvorsitzenden wählen. Er wird ein guter nächster Ministerpräsident sein.

Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt im Mai war Christian von Boetticher überzeugt, dass die CDU bei den Landtagswahlen 2012 mehr als 40 Prozent holt. Was tippen Sie?

Callsen: Ich bin sicher, dass wir bei der Wahl wieder stärkste Partei werden.

Bei der Wahl in Berlin hat die FDP 1,8 Prozent erhalten. Setzen sie dennoch weiter auf die Liberalen?

Callsen: Wir haben mit der FDP in Schleswig-Holstein einen stabilen Koalitionspartner und Erfolge vorzuweisen. Das wollen wir fortsetzen.

Sie leben 30 Kilometer entfernt von Dänemark. Wie nah ist Ihnen Hamburg?

Callsen: Gerade weil ich an der dänischen Grenze wohne, weiß ich, was grenzüberschreitende Zusammenarbeit bedeutet. Ich habe als Sprecher der Industrie- und Handelskammer in Kiel die wirtschaftliche Stärke der Metropolregion Hamburg mitbekommen.

Haben Sie sich schon mit Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz getroffen?

Callsen: Nein, ich habe heute den CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich besucht. Olaf Scholz hat nach seiner Wahl leider nicht den ersten Weg nach Kiel eingeschlagen.

Wie ist die Stimmung zwischen den beiden Bundesländern?

Callsen: Ich habe das Gefühl, dass für Scholz Norddeutschland an den Grenzen der Metropolregion Hamburg aufhört und erst wieder an der Grenze zu Dänemark anfängt. Schleswig-Holstein ist aber mehr als eine Brücke nach Dänemark. In den letzten Jahren haben wir einige Projekte gemeinsam auf den Weg gebracht, beispielsweise das Statistikamt Nord, das IT-Zentrum Dataport und eine gemeinsame Medienanstalt.

Scholz hat mehrere Kooperationsprojekte mit Schleswig-Holstein wie die Förderbank auf Eis gelegt. Frustriert?

Callsen: Wir haben Hamburg ein Angebot für eine gemeinsame staatliche Investitionsbank gemacht. Doch Scholz hat uns abblitzen lassen. Ich habe das Gefühl, der Bürgermeister nimmt Schleswig-Holstein als Nachbarn nicht ernst genug. Zusammenarbeit in einer Metropolregion funktioniert aber nur, wenn man beide Begriffe lebt: Metropole und Region.

Hamburg investiert in Bildung, Polizei und Sozialstandards, Kiel spart. Wie erklären Sie den Bürgern im Hamburger Umland, dass es ihnen schlechter geht als in der Metropole?

Callsen: Wir kommen in Schleswig-Holstein nicht daran vorbei, dass wir eine dramatische Haushaltslage haben. Das nimmt uns viele Handlungsspielräume. Es hat schmerzhafte Einschnitte für die Menschen gegeben. Doch nur so handeln wir verantwortungsvoll für kommende Generationen.

Hamburg nicht?

Callsen: Es ist fraglich, ob sich Hamburg höhere Standards auf Dauer leisten kann. Auch in der Hansestadt ist der Schuldenstand enorm. Vieles von dem, was Hamburg seinen Bürgern zusätzlich anbietet, ist auf Pump finanziert.

Thema Glücksspiel: Einigt sich Schleswig-Holstein noch mit den anderen 15 Bundesländern auf einen neuen Staatsvertrag oder bleibt es beim beschlossenen Alleingang?

Callsen: Die nächsten Wochen werden zeigen, wie weit sich die anderen Bundesländer noch auf Schleswig-Holstein zu bewegen. Richtig ist aber auch, dass es in Hamburg und anderen Ländern eine Doppelmoral gibt. Sie lehnen private Wettanbieter ab, machen aber nichts dagegen, wenn Unternehmen wie "Bet-at-home.com" das Tennisturnier am Rothenbaum öffentlichkeitswirksam sponsern.

Schleswig-Holstein will die Autobahn 20, den Fehmarnbelt-Tunnel und den Kanalausbau. Glauben Sie, dass der Bund alles gleichzeitig bezahlt. Welches Projekt hat für Kiel Priorität?

Callsen: Schleswig-Holstein braucht alle Investitionsmaßnahmen. Ich bin nicht sicher, ob wir alle Projekte gleichzeitig realisieren können. Wir kämpfen aber dafür, dass wir möglichst viel Geld vom Bund für den Ausbau der Infrastruktur bekommen. Es wäre wichtig, dass die norddeutschen Bundesländer mit einer Stimme sprechen.