Küstenländer fordern mehr Hilfe für die Kutter und protestieren gegen europäische Reformpläne. Bund will den Fischfang beschränken.

Kiel. Den deutschen Fischern steht das Wasser bis zum Hals. Mit Blick auf die Kutterkrise lehnten die Fischereiminister der fünf norddeutschen Länder am Mittwoch in Kiel wichtige Teile der EU-Reformpläne für eine moderne Fischerei ab. Eine Breitseite feuerte die Konferenz auch auf den Bund ab, weil er den Fischfang in den großen Natura-2000-Gebieten in Nord- und Ostsee beschränken will.

"Wir müssen alles tun, um die Fischerei in Deutschland zu erhalten", sagte Kiels Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf (CDU). Ins selbe Horn stießen ihr hannoverscher Kollege Gert Lindemann (CDU) und der Schweriner Fischerei-Staatssekretär Karl Otto Kreer (SPD). Sie erinnerten daran, dass an der Fischerei mehr als 200 Häfen an Nord- und Ostsee hingen und die Branche damit eine große Bedeutung auch für den Tourismus habe.

Sorge bereiten allen Küstenländern - aus Hamburg und Bremen waren Spitzenbeamte nach Kiel angereist - insbesondere die radikalen Reformpläne, die EU-Kommissarin Maria Damanaki vor einem Monat in Brüssel vorlegte. Demnach sollen Fischer ihnen zustehende Fanganteile verkaufen dürfen. "Das würde zu einem Ausverkauf der mittelständischen Fischerei in Deutschland führen", warnte Rumpf. An Nord- und Ostsee fischten vor allem Familienbetriebe. Sie hätten im Kampf um Fischereirechte kaum eine Chance gegen ausländische und kapitalkräftige Fischkonzerne.

Viele Betriebe haben im harten Wettbewerb der vergangenen Jahrzehnte bereits die Segel gestrichen. Die deutsche Fangflotte schrumpfte von 2800 Schiffen (1970) auf gut 1700 (2010), obwohl inzwischen kleinere Boote von Nebenerwerbsfischern mitgezählt werden. Fast 80 Prozent der Schiffe fischen in der Ostsee. Auf der Nordsee sind vor allem noch die Krabbenkutter unterwegs sowie gerade mal neun große Hochseetrawler, die ihre Netze meist im Atlantik auswerfen.

Durch den Niedergang der Fangflotte ist Deutschland bereits zu einem großen Fischimporteur geworden. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei mageren zehn Prozent. Die Nase vorn im Geschäft mit dem Fisch haben längst Dänemark, Holland, Frankreich, Spanien und England, in der Ostsee die baltischen Länder und Polen, wobei die EU nach Einschätzung der norddeutschen Fischereiminister manchmal ein Auge zudrückt. Gerade in der Ostsee werden die strengen Fangquoten wohl nicht immer eingehalten, Hering und Dorsch überfischt.

"Wir müssen wieder stabile Fischbestände bekommen", sagte Rumpf und lobte in diesem Punkt ausdrücklich die Vorschläge aus Brüssel. Die EU will die Überfischung bis 2015 stoppen, langfristige "Bewirtschaftungspläne" aufstellen und dafür sorgen, dass Kutter den Beifang nicht mehr über Bord kippen, sondern ihn im Hafen anlanden. Die Fischereiministerkonferenz forderte hier eine Ausnahmeregelung für die Krabbenfischer. Begründung: Eine Freisetzung mitgefangener Fische stabilisiere die Bestände in der Nordsee.

Nach Einschätzung der Minister ist neben der EU auch der Bund dabei, den Fischern das Wasser abzugraben. Auf harsche Kritik stießen insbesondere die Berliner Pläne, in den Natura-2000-Gebieten die Fischerei mit Schleppnetzen (trichterförmige Beutel) auf dem Meeresgrund zu verbieten und die mit Stellnetzen (senkrecht im Wasser stehende Netze) einzuschränken.

"Den Fischern drohen damit erhebliche Fangausfälle", klagte Kreer. Hintergrund: Die zehn EU-Natura-Schutzgebiete in der "Ausschließlichen Wirtschaftszone" (AWZ), für die der Bund zuständig ist, reichen von der Doggerbank weit vor Sylt bis in die Pommersche Bucht, haben eine Fläche von mehr als eine Million Hektar und machen 30 Prozent der Fanggebiete aus. Die Fischereiminister forderten den Bund deshalb auf, nur den von der EU geforderten Mindestschutz (Verschlechterungsverbot) umzusetzen und den Fischern "Bestandsschutz" zu gewähren.

Ob der Bund einlenkt, ist offen. Berlin muss die Schutzbestimmungen für die Natura-Gebiete, in denen Schweinswale, Kegelrobben, Seetaucher und Meeresenten leben, bis 2013 nach Brüssel melden. Für zusätzlichen Zündstoff sorgte die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die am Sylter Außenriff vor Kurzem erneut Felsbrocken versenkt hatte, um die Fischerei in der Kinderstube der Schweinswale zu stoppen. Die Fischereiminister baten den Bund, solche "illegalen" Öko-Aktionen künftig zu verhindern. "Eine spektakuläre Maßnahme gegen das Greenpeace-Schiff auf See wäre dabei nicht zielführend", meinte Minister Lindemann. Er riet dem Bund, ein Greenpeace-Schiff, das Steine bunkert, noch im Hafen "in die Kette" zu legen.