Vier treten an - aber das Rennen um die Spitzenkandidatur der Nord-SPD verdichtet sich zum Zweikampf zwischen Albig und Stegner.

Kiel. Für Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner schlägt die Stunde der Wahrheit. Nach mehr als drei Monaten Kandidatenkür entscheidet sich am Sonnabend bei der Auszählung des Mitgliedervotums, ob die Genossen im Norden mit ihrem umstrittenen Vorsitzenden in die nächste Landtagswahl ziehen oder lieber auf Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig setzen. Verliert Stegner, muss er auch um seine Posten als Vorsitzender von Partei und Landtagsfraktion bangen.

Insgesamt 13.236 der 19.171 Mitglieder nahmen an der Abstimmung teil. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 69,04 Prozent. Die 40-köpfige Zählkommission werde die Stimmzettel zweimal zählen, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Christian Kröning. Mit einem Ergebnis wird am Abend gerechnet.

"Ich bin zuversichtlich", versichert Stegner. Albig gibt sich nicht minder optimistisch. Dass einer der beiden schon im ersten Anlauf mehr als die nötigen 50 Prozent der Stimmen holt, ist möglich, aber nicht sicher. Elmshorns Bürgermeisterin Brigitte Fronzek könnte als starke Außenseiterin so viele Kreuze sammeln, dass die besten zwei in eine Stichwahl müssen. Sie würde am 26. März ausgezählt. Als chancenlos gilt der Kieler Personalrat Mathias Stein.

Im Vordergrund steht aber seit Wochen das Duell zwischen Stegner und Albig, die außer dem roten Parteibuch wenig gemein haben. Stegner, Typ linker Wadenbeißer, geht keinem Streit aus dem Weg und lässt sich trotz vieler Rückschläge nicht in seinem Glauben beirren, dass er eines Tages in die Kieler Staatskanzlei einzieht und Schleswig-Holstein regiert. Der Machtmensch setzt dabei auf einen populären bis populistischen Linkskurs, verspricht den Menschen in einem der ärmsten Bundesländer Wohltaten wie etwa den Einstieg in eine Kostenlos-Kita.

Albig, Typ rechter, verschmitzter Lausbub, bevorzugt leise Töne und fuhr 2009 einen Überraschungserfolg ein, als er Kiels CDU-Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz in einer Direktwahl aus dem Amt kippte. Der frühere Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) pflegt eine wirtschaftsnahe Politik und ähnelt in vielem Hamburgs designiertem Bürgermeister Olaf Scholz.

Der SPD-Kantersieg in Hamburg hat in Schleswig-Holstein die Debatte um die künftige Ausrichtung des traditionell linken Landesverbandes nochmals angeheizt. Stegner erklärt den Scholz-Erfolg unverdrossen mit dessen Einsatz für Mindestlohn und Kostenlos-Kita. Albig kontert gelassen mit dem Hinweis, dass die SPD Bürgerschafts- wie Landtagswahlen nicht am linken Rand gewinne. Der Kieler Kampf um das richtige rote Profil hat inzwischen auch die Berliner SPD-Baracke elektrisiert, zumal Stegner namhafte Unterstützer hat, von Hessens Fast-Ministerpräsidentin Andrea Ypsilanti über DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn bis hin zu Lokalgrößen wie Pinnebergs SPD-Kreischef Hannes Birke.

Hoch im Kurs steht Stegner auch bei vielen anderen SPD-Funktionären, vom Ortsvereinsvorsitzenden über das Ratsmitglied bis zum Kreistagsabgeordneten. Dieser Klub der Aktivisten macht aber nur etwa ein Viertel der gut 19 000 Mitglieder in Schleswig-Holstein aus. Bei den Otto Normalgenossen könnte Albig besser ankommen. Entscheidend wird also sein, wie viele der einfachen Parteimitglieder ihr Kreuz machen. Auf den Punkt bringt es eine Faustformel, die im Landeshaus kursiert: "Je höher die Wahlbeteiligung, desto albiger das Ergebnis."

Klar ist, dass es für Stegner bei der Kür um alles oder nichts geht. Scheitert er, dürfte sich auf dem SPD-Parteitag im April vermutlich Rendsburgs Bürgermeister Andreas Breitner um den Landesvorsitz bewerben. Er könnte den Spalt zwischen dem linken und rechten Lager in der Partei überbrücken.

Kaum besser sieht es für Stegner in der Landtagsfraktion aus. Der Vorsitzende, der seinen Parlamentsposten seit Wochen auch dazu nutzt, für sich als Spitzenkandidat zu werben, muss die eigentlich anstehende Neuwahl des Fraktionsvorstands nicht fürchten. Sie wurde vor Kurzem abgeblasen, dürfte im Ernstfall aber gleichwohl erfolgen. Gemessen daran kann Albig ruhig schlafen. Selbst im Fall einer deftigen Niederlage bleibt er Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel.