Er war der einzige deutsche Filmproduzent von Hollywood-Format. In Los Angeles ist Bernd Eichinger gestern völlig überraschend gestorben.

Los Angeles. Vor ihm gab es das praktisch gar nicht: Einen deutschen Filmproduzenten der Nachkriegsjahre, der erfolgreiche Filme machte, die auch noch gut waren. Es gab Horst Wendtland mit seinen Winnetou-Streifen, Franz Seitz mit den "Lümmel"-Filmen oder Franz Marischka mit seiner "Schlagerparade". Aber einen jungen, alerten, wagemutigen Produzenten, der Qualität wollte, ohne auf Kasse zu verzichten, den gab es in Deutschland erst wieder mit Bernd Eichinger. Das Wunderkind, den Wagemutigen, den Lebemann, den Produzenten in Turnschuhen, der Kunst mit Kommerz verband und der für alle ziemlich bald "Der Bernd" war. Bernie allenfalls. Denn an Bernd kam niemand vorbei.

+++ Merkel: "Unser Kino verliert einen Träumer" +++

Bernd Eichinger hat die meisten der erfolgreichen deutschen Filme der letzten Jahrzehnte produziert, "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", "Die unendliche Geschichte", "Der bewegte Mann", "Das Superweib", "Der Schuh des Manitu" oder "Der Untergang". Auch international produzierte Bernd Eichinger erfolgreiche Filme, "Das Geisterhaus", "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", "Das Parfum" oder "Resident Evil" zählen dazu..

In den 70er-Jahren, als jeder, der in der Filmbranche was werden wollte, Autorenfilmer war, jemand, der seine eigenen Drehbücher verfilmt, da setzte Eichinger schon auf große Geschichten. Auf Film als Drama und überlebensgroßes Erlebnis auf der Leinwand, auf ein Publikum, das Bewegendes erleben will, auf große Kasse. Das machte ihn verdächtig. Eichinger, der ein genauso großes Ego hatte, wie man es als Produzent und Macher braucht, als derjenige, der aussucht und bestimmt, wurde zwar von vielen aus der Branche bewundert. Aber auch kritisiert. "Was manche an mir nicht mögen, ist, dass ich mir sehr viele Gedanken über das Publikum mache", hat Eichinger mal in einem Interview gesagt. "Was passiert, wenn der Film ins Kino kommt? Opfert das Publikum einen Abend dafür? Heuert man einen Babysitter an, sucht einen Parkplatz, stellt sich beim Ticketschalter an und darf während der Vorführung weder rauchen noch reden? Ich unterstelle keinem Filmemacher, dass er absichtlich einen Film gegen das Publikum macht. Die Frage ist nur: Was ist er bereit, dafür zu tun? Viele glauben, sie müssen für das Publikum Kompromisse machen. Das ist meiner Meinung nach falsch." Beinahe jeder, der im deutschen Film Regie führt, hat sich an Bernd Eichinger abgearbeitet. Gestern ist Eichinger völlig überraschend im Alter von 61 Jahren während eines Essens im Kreis seiner Familie in seinem Haus in Los Angeles an einem Herzinfarkt gestorben.

+++ Wowereit: Filmstadt Berlin trauert um Eichinger +++

Als Eichinger 1970 an die Münchner Hochschule für Film und Fernsehen kam, wollte eigentlich jeder, der dort studierte, Regisseur werden. Eichinger studierte zwar auch Regie, verlegte sich aber aufs Produzieren und Drehbuchschreiben. "Der große Bagarozy" blieb sein einziger Versuch als Kinoregisseur. Noch während seines Studiums arbeitete er als Aufnahmeleiter in den Bavaria Studios. 1974, gleich nach Beendigung seines Studiums, gründete Eichinger seine eigene Filmproduktionsgesellschaft Solaris und produzierte hauptsächlich Autorenfilme, die man zum Neuen Deutschen Film zählt - Filme von Wim Wenders, Edgar Reitz, Hans-Jürgen Syberberg, Roland Klick oder von Alexander Kluge. Aber schon Hans W. Geißendörfers damals von Eichinger produzierter Film "Die gläserne Zelle" wurde für den Oscar nominiert.

1979 erwarb Eichinger 25 Prozent der angeschlagenen Verleihfirma Constantin Film und wurde zum geschäftsführenden Gesellschafter. Seine erste Produktion für die nun Neue Constantin Film war "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Der Film, bei dem sein ehemaliger Kommilitone Uli Edel Regie führte und zu dem ein weiterer Kommilitone, Herman Weigel, das Drehbuch schrieb, wurde 1981 zu einem der international erfolgreichsten deutschsprachigen Filme der Nachkriegszeit. Gekostet hatte er sechs Millionen Mark, satte 38 Millionen spülte er in Eichingers Neue Constantin.

+++ Ein „Bernd-Abend" : Eichingers Tod überschattet "Diva"-Gala +++

Zu Beginn seiner Karriere war Eichinger der junge Wilde, machte alles anders als die anderen. Er wollte Erfolg haben, kommerziellen Erfolg. Geld, wusste Eichinger, das wurde mit publikumswirksamen Streifen à la Hollywood gemacht. Zu den Höhepunkten des deutschen Films gehört zweifellos die Verfilmung von Lothar-Günther Buchheims Roman "Das Boot". Und wer hatte hier wieder seine Finger im Spiel? Bernd Eichinger brachte den Film in die Kinos. "Das Boot" bekam sechs Oscar-Nominierungen, öffnete Regisseur und Drehbuchautor Wolfgang Petersen die Türen der Filmstudios in Hollywood. Die Regisseurin Doris Dörrie hat ihn einmal so beschrieben: "Mit Hollywood wollte ich anfangs gar nichts zu tun haben, aber er hatte sich bereits mit diversen Filmprojekten in die Hollywoodarena geworfen und kämpfte dort wie ein bayerischer Gladiator. Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich jede Menge Blessuren holte. Er war einsam, verletzt, wütend; jeden Abend wieder nach unendlichen Telefonaten mit Studioarschlöchern, wie er sie nannte, warf er das weiße Telefon an die Wand und nahm jeden Morgen den Kampf wieder auf. Ein bisschen wie ein deutscher Schäferhund. Unbeirrbar, potenziell bissig und auf seltsame Weise treu."

Bernd Eichinger lebte lange so, wie man es sich von einem Produzenten vorstellt. Er feierte im Schumanns, hatte jede Menge Affären mit schönen Schauspielerinnen, er liebte teures Essen, teuren Wein und anderes, was teuer war, aber nicht unbedingt leicht zu bekommen. Ja, verrückte Ideen hatte er viele. Der Unterschied zu anderen war, dass er sie letztlich dann doch aus gesundem Kalkül nicht verwirklicht hat. Oft hat er schnell gesprochen, Silben verschluckt, wie wirr geklungen. Wahrscheinlich sausten ihm gleichzeitig zu viele Ideen durch den Kopf. Ja, und gelacht hat er viel. Manchmal auch ganz schön durcheinander. Dabei hat er von sich selbst gesagt, er sei Bayer, verstehe nur bayerischen Humor. Was für ein Schmarrn.

Vor einigen Jahren hatte er die Idee zu einer Deutschen Filmakademie, die das Ansehen des deutschen Films mehren soll. Viele Widerstände hat er dafür überwinden müssen. Und gedankt hat es ihm auch keiner. 2003 wurde sie schließlich gegründet und vereint inzwischen 1100 Filmschaffende aus allen Sparten. Bei einer von der Akademie veranstalteten Preisverleihung hat er einmal eine Rede gehalten und gesagt: "Eines hasse ich wirklich am deutschen Film. Es ist ständig irgendjemand beleidigt. Weil er kein Geld bekommt, weil er keine Verleiher findet oder weil er einem Filmpreis nicht bekommen hat, sondern ein anderer."

Am Ende wollte er sich dann einig wissen mit allen, die ihm den Erfolg oft geneidet haben, seinen Filmen keine Preise gaben und ihn als Kommerzonkel titulierten. Neid der weniger Erfolgreichen, mag man sagen, aber so einfach ist es ja nicht. Eichinger wollte sich versöhnen, wollte alle in ein Boot bekommen und sprach irgendwie altersmilde: "Was ich am deutschen Film hasse, ist, dass man so einsam ist und dass man sich eigentlich nicht einsam fühlen sollte. Wenn man Dinge tut, die extrem sind und die an die Nerven gehen und die uns alle Tag und Nacht beschäftigen, würde man eigentlich gerne eine Heimat haben. Und ganz am Ende, ohne dass ich jetzt pathetisch klingen will, ist es doch unser täglicher Kampf gegen die Profanität der Welt. Und auch die Profanität des Wertesystems. Und ich habe mich für die Akademie eingesetzt, damit wir eine Familie kriegen, in der wir gemeinsam dagegen ankämpfen können."

Bernd Eichinger hat den deutschen Film geprägt wie kein zweiter.