Mehrere 13-Jährige sollen von Jugendlichen in einem Camp des Sportbundes Osnabrück auf Ameland brutal missbraucht worden sein.

Osnabrück. Strand, Sonne, Meer und jede Menge gleichaltriger Spielgefährten. Es sollten drei Wochen Ferienspaß auf der beliebten niederländischen Nordseeinsel Ameland werden - den Schulstress vergessen, die Eltern weit weg. Doch für mindestens sechs 13-Jährige wurde die Freizeitfahrt des Stadtsportbundes Osnabrück zur Qual. Mehrfach sollen die Jungen in dem Feriencamp im idyllischen Inselort Buren von zumeist älteren Kindern missbraucht und erniedrigt worden sein.

Die Polizei, die eine vierköpfige Sonderkommission eingerichtet hat, ermittelt gegen elf Jungen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung, schweren Missbrauchs und Vergewaltigung. In sechs bis acht Fällen sollen sie in ihrem Schlafsaal über die 13-Jährigen hergefallen sein. "Die Übergriffe beinhalteten in den extremsten Fällen Vorgehensweisen, bei denen ein sexueller Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Er bestätigte damit einen Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Wie das Blatt berichtete, sollen die Opfer in der Zeit vom 25. Juni bis zum 8. Juli teils mehrfach in die Mitte des Schlafsaals gezehrt und dort vor den Augen aller brutal misshandelt worden sein. Die Täter sollen sie festgehalten und gemeinsam mit Colaflaschen, den Stielen von Kehrschaufeln und mit Besen malträtiert haben, gab die Polizei gestern bekannt.

Weitere Taten seien nur daran gescheitert, dass sich potenzielle Opfer "verzweifelt" an den Betten festgekrallt hätten, über die Feuerleitern geflüchtet seien oder "erheblichen" Widerstand geleistet hätten, sagte der Leiter des Osnabrücker Jugendschutz-Kommissariats, Bernd Klose. Von den elf Jugendlichen, gegen die ermittelt wird, werden fünf als "treibende Kraft" eingestuft. Unter den Tätern sollen aber auch zwei 13-Jährige sein, die zuvor selbst misshandelt worden waren. Die meisten von ihnen hätten schon mehrfach an Ferienfahrten nach Ameland teilgenommen, kämen aus geordneten familiären Verhältnissen und hätten sich nie auffällig verhalten, hieß es aus Kreisen des Stadtsportbundes, in dem 125 Vereine zusammengeschlossen sind.

Erst die Anzeige der Mutter eines Augenzeugen hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Ihr 13 Jahre alter Sohn hatte, zurück vom westfriesischen Eiland, "starke Verhaltensauffälligkeiten" gezeigt und auf ihr Drängen "von sehr heftigen sexuellen Übergriffen" berichtet, sagte der Vorsitzende des Stadtsportbundes, Wolfgang Wellmann, der sich von den Vorfällen erschüttert zeigte. Er habe die Mutter gebeten, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die Polizei befragte daraufhin 20 der 40 Jugendliche, die in dem Schlafsaal übernachtet hatten und die die schlimmsten Befürchtungen bestätigten.

An der Ferienfreizeit des Stadtsportbundes, dessen Fahrten auf die niederländische Insel bereits seit vier Jahrzehnten Tradition haben, hatten in diesem Jahr mehr als 170 Jungen und Mädchen teilgenommen. Untergebracht waren sie in drei ehemaligen Bauernhäusern. Die Betreuer des Camps wollen von den Übergriffen nichts mitbekommen haben, weshalb sich die Ermittlungen jetzt auch gegen sie richten. Möglicherweise haben sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht.

Der Polizei sollen Aussagen vorliegen, wonach Kinder die Betreuer während der Ferienfahrt um Hilfe gebeten hätten, ohne dass die eingeschritten seien. "Es gibt die Aussage, dass die Kinder aus dem Obergeschoss heruntergekommen sind und gesagt haben, die Größeren von uns ärgern uns", sagte Stadtsportbund-Chef Wellmann. Die Betreuer seien daraufhin in den Schlafsaal gegangen und hätten für Ruhe gesorgt. "Wenn nun damit gemeint ist, die Kinder hätten sich gemeldet und gesagt, sie seien belästigt worden, dann ist das sicherlich richtig. Ob es aber detaillierte Hinweise auf sexuelle Übergriffe gegeben hat, das möchten wir der Klärung durch die Polizei überlassen."

Der Leiter des Feriencamps, Dieter Neuhaus, ist bereits von seinem Ehrenamt beim Stadtsportbund zurückgetreten. Er habe von den Übergriffen erst nach der Ferienfreizeit erfahren und wolle sich aktiv an der Aufklärung der Übergriffe beteiligen. "Wir sind tief betroffen, was dort passiert ist. Uns tut das unendlich leid", sagt sein Vereinschef Wellmann.