Bürger in Winsen demonstrierten mit bunten Luftballons und forderten die Behörden zum Handeln auf: Setzen Sie sich an einen Tisch!

Winsen. Um 16.30 Uhr stiegen rund 100 bunte Luftballons in den Himmel über Winsen. An jeden hatten die zahlreichen Demonstranten vor dem Jugendamt in Winsen einen Zettel mit einem Wunsch gehängt. "Wir möchten, dass Dennis so schnell wie möglich zu seinen Pflegeeltern zurückkommt", stand da zu lesen. Mit diesem symbolischen Akt sorgten die Menschen gestern dafür, dass das Schicksal des fünfjährigen Hamburger Pflegekindes nicht in Vergessenheit gerät.

Christine Reifschläger ist selbst Pflegemutter, und sie war am Nachmittag zum Jugendamt gekommen, weil sie möchte, "dass die Erwachsenen ihre eigenen Interessen zurückstellen und an das Kind denken". Die Demonstranten können nicht verstehen, dass man einen kleinen Jungen per Gerichtsbeschluss zu unbegleiteten Konktakten mit seinem leiblichen Vater und der Großmutter zwingt, wenn er darauf regelmäßig mit massiven Essstörungen reagiert.

Um diese unbegleiteten Umgänge durchzusetzen, hatte der Winsener Richter dem Amtsvormund 5000 Euro Ordnungsgeld angedroht. Und den Pflegeeltern, die die Umgänge aus Rücksicht auf die Gesundheit von Dennis verweigerten, regelmäßig Strafgelder auferlegt. Als sie nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen mit ihrer Kraft am Ende und finanziell ruiniert waren, baten sie vor vier Wochen das Jugendamt, das bereits im Sommer 2011 einen Herausgabebeschluss für Dennis aus der Pflegefamilie erwirkt hatte, den Jungen abzuholen. Ein "Akt der Verzweiflung", den sie jetzt bitter bereuen. Momentan wird in dem laufenden Verfahren ein Sachverständigen-Gutachten über Dennis erstellt.

Nach einer halben Stunde zogen die Demo-Teilnehmer vom Jugendamt zum Amtsgericht. "Diese beiden Stellen sind diejenigen, die etwas für Dennis tun können", sagte Götz Gerke. Der Vorsitzende von der Pflegeelterninitiative Pfeil Harburg appellierte an die beiden staatlichen Behörden: "Stellen Sie Ihre Befindlichkeiten hinten an, auch wenn vielleicht in der langen Auseinandersetzung Gefühle und Stolz verletzt worden sind. Es geht um ein Kind, das nun seit vier Wochen von den Menschen getrennt ist, denen es am nächsten steht." Die Pflegeeltern seien seine gefühlten Eltern. "Sorgen Sie dafür, dass Dennis so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren kann", sagte Gerke. Unter dem lauten Beifall der Demonstranten forderte er die zuständigen Behörden auf: "Setzen Sie sich an einen Tisch. Sie tragen die Verantwortung, Sie haben das Schicksal eines kleinen Jungen in der Hand!"

Diese Forderung nach einer schnellen Lösung hatten in der vergangenen Woche bereits die beiden niedersächsischen CDU-Minister Aygül Özkan (Soziales) und Bernd Busemann (Justiz) erhoben. Aber auch gestern gab es vom Landkreis Harburg dahin gehend keine Äußerung. In einer Erklärung, die vor Ort verteilt wurde, hieß es: "Allen Bürgerinnen und Bürger versichert der Landkreis nachdrücklich, dass das Jugendamt wie bisher im Interesse von Dennis handelt und seine Verantwortung wahrnimmt, um ein gutes Aufwachsen des Kindes in einer vertrauensvollen und angemessenen Umgebung zu ermöglichen."

Die momentane Umgebung von Dennis ist ihm nicht besonders vertraut. Er ist seit vier Wochen in einem Heim untergebracht. Sein Kinderzimmer im Haus seiner Pflegeeltern, in dem er die letzten fünfeinhalb Jahre verbracht hat, steht leer.

Manuela Schmidt ist ebenfalls eine Pflegemutter. Sie ist mit ihrem Mann und ihrem Kind zur Demonstration vor das Jugendamt gekommen, weil sie für Dennis erreichen wollen, dass er zu seinen Pflegeeltern zurückkommt. "Das Heim", sagt sie, "kann doch immer nur der allerletzte Schritt sein."

Manche sagen, sie wollen am kommenden Mittwoch wieder demonstrieren. Dann tagt auch der Jugendhilfeausschuss. In einer nicht öffentlichen Sondersitzung wird das Jugendamt über den Fall Dennis informieren. Der Antrag der Gruppe Grüne/Linke, den Pflegeeltern ein Rederecht einzuräumen, fand keine Mehrheit.