Der Spitzenkandidat der CDU, Jost de Jager, setzt vor der Entscheidung am 6. Mai in Schleswig-Holstein auf Schule, Finanzen und Verkehr

Norderstedt. Auf dem Podium schraffiert der Bürgermeister den ersten Notizzettel voll, in der ersten Reihe schwatzen zwei stellvertretende CDU-Ortsvorsitzende: Jost de Jager ist da. Der CDU-Spitzenkandidat sitzt im Verkaufsraum eines Norderstedter Autohauses. Die rund 25 Zuhörer würden mühelos in die blitzenden Mercedes-Limousinen passen, die hier auf Kunden warten. Vom anderen Ende des Raums wehen Fetzen eines Verkaufsgesprächs herüber. Er freue sich auf die Veranstaltung, sagt Jost de Jager tapfer: "Es ist immer gut, Wirtschaft da zu besprechen, wo gewirtschaftet wird." Dann legt er los - mit seiner Wahlkampfrede.

Katja Rathje-Hoffmann, 48, hat die Veranstaltung organisiert. Die CDU-Landtagsabgeordnete kandidiert im Wahlkreis Norderstedt. "Business Talk" steht auf der Einladung, die die von ihr ausgewählte Mandatsträger, Unternehmer und Kaufleute bekommen haben. "Ich musste einen Anglizismus wählen, denn das ist modern, und die CDU ist eine moderne Partei", hat die leicht nervöse Politikerin ihren Gästen eingangs erläutert. Ein Malermeister ist dabei, der Geschäftsführer einer Wohnungsbaufirma, der Betreiber eines Altenheims. Die Gastgeberin hat versucht, jeden einzeln zu begrüßen und hat das Fehlen des Norderstedter CDU-Ortsvorsitzenden entschuldigt: "Er hat gerade eine neue Hüfte bekommen."

Der Politiker erzählt vom Deutschunterricht seiner Tochter

Jost de Jager lässt sich von derlei Ausfallerscheinungen nicht beeindrucken. Er hat nicht mehr viel Zeit, der Wahltermin rückt immer näher. Deswegen spricht er nicht über nachhaltige Stadtentwicklung und auch nicht über die Wirtschaft in Norderstedt, obwohl Rathje-Hoffmann das in ihrer Einladung angekündigt hatte. Drei Punkte sind de Jager jetzt wichtig, drei Punkte will er an diesem Nachmittag den Zuhörern einhämmern. Der Spitzenkandidat kämpft. "Am 6.Mai geht es um eine Richtungsentscheidung", sagt er. Die Wähler müssten sich in der Finanzpolitik zwischen dem CDU-Konsolidierungskurs und den SPD-Mehrausgaben entscheiden, in der Schulpolitik zwischen dem CDU-Verzicht auf Strukturdebatten und den fortgesetzten Experimenten der Sozialdemokraten, in der Verkehrspolitik zwischen den Investitionen, die die CDU tätigen wolle, und dem Stillstand, der unweigerlich Folge eines SPD-Wahlsiegs sein werde.

De Jager spricht frei, und er hat eine klangvolle Stimme. Aber sein Vortrag verfängt nicht. Er erzählt von seiner Tochter, die nur zweimal in der Woche, "montags und freitags", Deutschunterricht hat. "Da wundere ich mich schon, das kenne ich aus meiner Schulzeit anders", sagt er. Erwartet er Lacher? Sie kommen nicht. Er erwähnt Spanien ("40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit") und Griechenland ("Die Menschen wandern ab, das ist ein Exodus") als mahnende Beispiele dafür, wohin Schuldenpolitik führen kann. Er erinnert an die Zeiten der SPD-Regierung in Schleswig-Holstein und an den "Mehltau", der damals auf dem Land gelegen habe. Schärfer wird er nicht.

Dann erhebt Jost de Jager seine Stimme, denn er kommt zum Ende seiner Rede - und sagt, als befände er sich auf einem CDU-Parteitag: "Wir haben eine klare Position, und dafür müssen wir werben. Dann werde ich Ministerpräsident, und dann wird ein Fass aufgemacht, dann wird mit Katja gefeiert." Matter Beifall. Katja Rathje-Hoffmann wirkt beglückt.

Nach wenigen Fragen - auch die beiden schwatzenden Christdemokraten in der ersten Reihe schweigen plötzlich - ist der "Business Talk" der Geschäftsleute mit dem Wirtschaftsminister zu Ende.

Eine Stunde später, im Schulauer Fährhaus in Wedel. Auf dem Parkplatz ist eine großzügig bemessene Fläche abgesperrt. Aber Jost de Jagers Dienst-Mercedes mit seinen Initialen "DJ" im Kennzeichen lässt auf sich warten. Im renovierten Saal des Fährhauses scheint das so richtig niemanden zu stören. Rund 100 Zuhörer haben sich eingefunden, die meisten sind CDU-Mitglieder. Man kennt sich und plaudert angeregt über Familie, Beruf und Politik. Einige bestellen sich ein weiteres Bier, um die Wartezeit zu überbrücken. Barbara Ostmeier, die CDU-Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Pinneberg-Elbmarschen, wird vielfach geherzt: Sie hat heute Geburtstag.

Aber nun ist der Spitzenkandidat da. Am Eingang muss er ein Spalier jubelnder Mitglieder der Jungen Union durchschreiten. Ostmeier zerspringt fast vor Freude. "Jost, du wirst uns einen ganz großen Anschub geben im Wahlkampf", ruft sie ins Mikrofon. Dann ist Jost de Jager dran - mit seinem Drei-Punkte-Hammer. Der "Mehltau" ist wieder dabei, die beiden Wochentage werden erwähnt, an denen seine Tochter Deutschunterricht hat, auch der griechische "Exodus" fehlt nicht. "Wenn wir wollen, können wir unser Ziel erreichen", sagt er am Ende mit lauter werdender Stimme, "und dann feiern wir Barbaras Geburtstag nach!" Großer Beifall. De Jager strahlt.