Obwohl der 18-jährige Colin Worm alle Voraussetzungen erfüllte, ließ die Johannes-Brahms-Schule in Pinneberg ihn nicht zur Abiturprüfung zu.

Pinneberg. Seine Klassenkameraden haben die ersten Hürden genommen. Die schriftlichen Prüfungen liegen hinter ihnen. Nun bereiten sich die Abiturienten auf die mündlichen vor. Aufgeregt planen sie die große Abschiedsfete und schmieden Zukunftspläne. Colin Worm kann ihnen nur dabei zusehen. Der Gymnasiast aus Pinneberg wurde nach einer längeren Krankheit von seiner Schulleiterin nicht zum Abitur zugelassen - obwohl er dieVoraussetzungen formal erfüllt hatte. Als Folge seiner Krebserkrankung wurde er nun auch noch zurückversetzt.

Colin geht auf die Johannes-Brahms-Schule in Pinneberg. Der 18-Jährige besuchte die 13. Klasse, als er im September die Diagnose Hodenkrebs bekam. In einer ersten Operation wurde ihm der Tumor entfernt, in einer zweiten ein "Port" eingesetzt. Über den Katheter wurden ihm die Medikamente für die Chemotherapie direkt über die Vene gegeben. Der Krebs hatte gestreut, aber noch keine Metastasen an den Lymphknoten gebildet.

Während er gegen den Krebs kämpfte, nahm er, sooft es ging, am Unterricht teil. "Ich bin ungefähr elf Wochen ausgefallen", sagt der Schüler, der heute wieder gesund ist. "Es gibt eine Regelung, nach der man zu 30 Prozent am Unterricht teilgenommen haben muss. Die Auflage habe ich erfüllt." Im Zeugnis der 12. Klasse hatte er einen Notendurchschnitt von "Drei". Die Mindestpunktzahl, die es braucht, um für das Abitur zugelassen zu werden, hatte er mit 230 ebenfalls erreicht. "Bis zur Prüfung wären noch weitere Punkte dazugekommen", sagt er. Einige Lehrer gaben ihm Zusatzaufgaben, um ihn benoten zu können. "Ich wollte wirklich alles dafür tun, um den Stoff nachzuholen", sagt er.

Doch als sich Colin Worm im Januar fristgerecht zur Prüfung anmelden wollte, teilte Schulleiterin Ortrud Bruhn ihm mit, die Prüfungskommission, bestehend aus ihr und vier weiteren Lehrkräften, werde ihn nicht zulassen.

"Ich verstand die Welt nicht mehr", sagt Colin Worm. Er studierte das Schulregelwerk und las, dass er im Krankheitsfall bis einen Tag vor dem Abitur seine Noten nachreichen darf.

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Das wäre jedoch mit einigem Aufwand verbunden gewesen. "Es hätten Lehrer bereitgestellt werden müssen, die mich während der Klausuren beaufsichtigt hätten", sagt Colin. Also suchten er und seine Mutter erneut das Gespräch mit der Schulleiterin. "Schon als wir uns setzen wollten, sagte Frau Bruhn, sie wüsste nicht, was das Gespräch soll. Sie würde ihre Meinung nicht ändern", berichtet der Schüler. Das tat sie auch nicht. Also wandte sich der Gymnasiast am 25. Januar mit einem Brief ans Bildungsministerium in Kiel. Der ging zunächst fälschlicherweise an das Wissenschaftsministerium. Erst sechs Tage später fand er seinen richtigen Adressaten im Bildungsministerium. Wertvolle Zeit verstrich.

Am 24. Februar, drei Tage vor Prüfungsbeginn, rief dann ein Mitarbeiter an: Er sei zugelassen. Zu dem Zeitpunkt hatte die Brahms-Schule Colin Worm ein Zeugnis für die 13. Klasse ausgestellt - ohne Noten, stattdessen mit dem Vermerk, dass wegen fehlender Unterrichtszeit keine Bewertung vorgenommen werden konnte. Colin Worm war daraufhin in die zwölfte Klasse zurückgestuft worden und so vom Unterricht der 13. ausgeschlossen. Unter diesen Bedingungen sei es für ihn schwierig gewesen, sich auf die Prüfung vorzubereiten, sagt er. Als ihn der Mitarbeiter des Bildungsministeriums fragte, ob er sich dennoch prüfen lassen wolle, lehnte er ab. "Vielleicht ein Fehler, aber ich hatte innerlich schon resigniert."

Er fragt sich, warum er es nicht einfach versuchen durfte. "Ich möchte Physik studieren. Dafür gibt es keinen Numerus clausus." Statt mit seinen Mitschülern, die für ihn Spenden gesammelt hatten, weil die Krankenkasse nicht die gesamten Behandlungskosten übernommen hatte, zu feiern, muss er nun ein Jahr länger zur Schule.

Schulleiterin Ortrud Bruhn steht zu ihrer Entscheidung: "Die Abiturprüfungskommission hat alle Optionen sehr genau geprüft." Die Schule hätte in der Vergangenheit Schülern, die eine längere Zeit nicht am Unterricht teilnehmen konnten, stets die Möglichkeit gegeben, alternative Leistungen zu erbringen. "Wir sind da sehr erfinderisch, und das mit großem Erfolg", sagt dieDirektorin. Es gebe aber Fälle, wo das eben nicht möglich sei. Konkret zum Fall Worm wollte sie sich nicht äußern.

Obwohl das Ministerium Colin Worm recht gegeben hatte, mag hier keiner Kritik an der Schulleitung üben. "Solche Entscheidungen liegen im Ermessen der Prüfungskommission", sagt Pressesprecher Thomas Schunck. Der Mitarbeiter habe mit dem Schüler ein Gespräch geführt und den Eindruck gewonnen, er habe selbst eingesehen, dass die Teilnahme an einem Nachschreibetermin problematisch sei.

Colin erwägt jetzt eine andere Option: Er überlegt, die Schule zu wechseln.