Energiekonzern Vattenfall will nach der Panne in Brunsbüttel 500 Tonnen mit radioaktivem Müll bergen. Bekennerschreiben nach Anschlag.

Brunsbüttel. Der Energiekonzern Vattenfall ist nach der Atompanne in Brunsbüttel um Schadensbegrenzung bemüht. "Wir haben die Sicherheitsauflagen der Kieler Atomaufsicht erfüllt", sagte Unternehmenssprecherin Barbara Meyer-Bukow. Vattenfall habe zudem ein Konzept erarbeitet, um die restlichen 500 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aus den Kavernen im Meiler zu bergen. Einige Fässer weisen Rotfraß auf, viele andere wurden seit Jahren nicht kontrolliert, weil die Kavernen aufgrund der starken Strahlung nicht betreten werden können. Vattenfall will jetzt mit Kameras Klarheit schaffen.

Der Energiekonzern gab zu, dass Mitarbeiter einer Fremdfirma bereits am 15. Dezember feststellten, dass eines der 200-Liter-Fässer (Fülljahr 1981) große Löcher aufwies. Sie hatten das noch scheinbar unversehrte Fass ferngesteuert mit einem Greifer aus einer der sechs Kavernen geholt, um den Atommüll mithilfe einer Umsauganlage in einen Spezialcontainer umzulagern. Der Vorgang dauerte statt der üblichen drei Stunden stolze acht, und als das Fass aus der Anlage kam, war die Stahltonne teils zerfallen.

Vattenfall prüft noch, warum die Atomaufsicht nicht sofort über den brisanten Fund informiert wurde. Rechtlich dazu verpflichtet war der Konzern offenbar nicht. Schäden an Fässern, in denen etwa radioaktive Reste aus dem Wasserfilter des Siedereaktors gebunkert werden, sind nicht meldepflichtig. Die Kavernen liegen im abgeschirmten Sicherheitsbereich des Reaktors. Eine erhöhte Radioaktivität wurde bisher nicht gemessen.

Vom Rostfraß hätte wohl niemand etwas erfahren, wenn nicht ein TÜV-Gutachter die Umsaugzeiten kontrolliert hätte und dabei am 10. Januar auf das Problemfass gestoßen wäre. Zwei Tage später informierte Vattenfall die Atomaufsicht im Kieler Justizministerium, das den Fall erst an diesem Mittwoch publik machte. "Justizminister Emil Schmalfuß hat damit die Öffentlichkeit erst 57 Tage nach der Entdeckung der korrodierenden Fässer durch den TÜV Nord unterrichtet", kritisierte Grünen-Fraktionschef Robert Habeck. Die Öko-Partei möchte nun im Landtag klären, warum der Minister so lange schwieg.

+++ Atommüll-Skandal: Lager sind versiegelt +++

Der parteilose Schmalfuß konterte prompt. Demnach schickte Vattenfall erst am 20. Februar die angeforderten Fässerfotos nach Kiel. Nach Prüfung durch die Atomexperten wurde der Minister ins Bild gesetzt, der wiederum das Kabinett, die Fraktionschefs und auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz die Medien informierte.

Die Sicherheitsmaßnahmen, die Schmalfuß forderte, hatte Vattenfall zu diesem Zeitpunkt schon teils umgesetzt. Bereits Anfang des Monats wurden die Kavernen mit Betonplatten verschlossen, zusätzliche Strahlungsmessgeräte installiert. Auch die Fremdfirma, die in Brunsbüttel in den vergangenen Jahren mehr als 600 Atomfässer in Lagerbehälter für den Schacht Konrad in Niedersachsen umgefüllt hatte, war längst aus Brunsbüttel abgezogen.

Vattenfall möchte nun eine neue Umsauganlage installieren, die marode Fässer behutsamer entleert. Das Genehmigungsverfahren dürfte Wochen, wenn nicht Monate dauern. "Wir haben keine Eile", sagte Meyer-Bukow. Der Schacht Konrad stehe frühestens 2019 zur Verfügung. Der geplante Rückbau der im Sommer 2011 stillgelegten Meiler in Brunsbüttel und Krümmel dürfte sich noch länger hinziehen. In den nächsten Wochen erwartet die Atomaufsicht von Vattenfall konkrete Planungsunterlagen. Allein die Genehmigung eines Reaktorrückbaus dürfte drei bis vier Jahre dauern, die Bauarbeiten selbst weitere zehn bis 15 Jahre.

Die Probleme im Umgang mit den Rostfässern in Brunsbüttel sind nur ein Vorgeschmack auf das, was im Rahmen der Endlagerung noch auf die Experten zukommt. Im ehemaligen Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel sind zwischen 1967 und 1978 insgesamt 126 000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Müll eingelagert worden. Jetzt sollen sie zurückgeholt werden, weil die nach Atomrecht vorgeschriebene Langzeitsicherheit dort nicht gewährleistet werden kann. Die Experten gehen davon aus, dass Zehntausende der Fässer nicht nur verrostet, sondern komplett durchgerostet sein könnten. Wo der Müll einmal endgelagert werden soll, steht fest - im Schacht Konrad in Salzgitter.

Zwei Dienstgebäude von Vattenfall in Berlin-Treptow sind in der Nacht zum Donnerstag mit Farbe beschmiert worden. Dabei sei ein Wachmann beim Versuch, einen der sieben bis acht maskierten Täter festzuhalten, schwer verletzt worden, teilte ein Polizeisprecher mit. In dem Gerangel war der Mann mit einer ätzenden Flüssigkeit an Kopf und Oberkörper getroffen worden und musste stationär behandelt werden. Außerdem gingen Fensterscheiben zu Bruch. Kurz zuvor war zudem ein Bau in der Köpenicker Straße in Mitte mit Farbe befüllten Glasflaschen beworfen worden. Im Internet wurde ein vermeintliches Bekennerschreiben veröffentlicht. Darin kritisieren die anonymen Verfasser das Festhalten des Konzerns an der Atomenergie. Die Polizei wollte die Echtheit des Schreibens nicht bestätigen. Der Staatsschutz ermittelt. Alle Täter sind entkommen.