Konsequenzen aus Brunsbüttel-Fall gefordert. Verletzter bei Anschlag auf Konzerngebäude

Kiel/Hamburg. Nach der Atompanne im stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel gerät der Betreiber Vattenfall ins Visier der Politik. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck kündigten gestern an, im Fall eines rot-grünen Wahlsiegs im Mai alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um dem Konzern die Betriebslizenz für Brunsbüttel und den ebenfalls stillgelegten Meiler in Krümmel zu entziehen.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass im Kraftwerk Brunsbüttel bereits im Dezember ein 200-Liter-Fass mit Atommüll durchgerostet war und weitere Stahlbehälter schadhaft sind. Vattenfall hatte die Kieler Atomaufsicht darüber erst im Januar informiert. "Vattenfall ist dafür verantwortlich, dass es in Brunsbüttel zugeht wie auf einer drittklassigen Müllkippe", sagte Stegner dem Abendblatt. Eine Gefahr für Mensch und Umwelt besteht nach Einschätzung der Atomaufsicht derzeit nicht. Ein Vattenfall-Sprecher sagte, es habe sich nicht um einen meldepflichtigen Vorfall gehandelt. Allerdings sei man dem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden, sofort über Probleme zu informieren.

Scharfe Kritik an dem Energiekonzern kommt auch aus Berlin. "Rostzerfressene Atomfässer, zurückgehaltene Informationen - bei Vattenfall wundert einen gar nichts mehr. Das muss atomrechtliche Konsequenzen haben", sagte die Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, dem Abendblatt. Auch die Atomaufsicht in Kiel habe die Öffentlichkeit zu spät informiert: "Jetzt fragt sich, welche atomaren Altlasten noch an anderen AKW-Standorten vor sich hin rosten."

Kiels Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos), der für die Atomaufsicht zuständig ist, will die Vorfälle in Brunsbüttel auswerten und die Erkenntnisse in einen laufenden Zuverlässigkeits-check Vattenfalls einfließen lassen. Bereits 2009 war eine Überprüfung der Betriebslizenz eingeleitet worden, weil der Konzern damals Auflagen für den Meiler in Krümmel nicht erfüllt und die Atomaufsicht verspätet über eine Panne informiert hatte. Mit dem Abschluss des Verfahrens ist allerdings erst nach der Landtagswahl am 6. Mai zu rechnen. Für Vattenfall könnte es dabei eng werden, zumal der Konzern bereits nach einem Störfall in Krümmel 2007 die damalige Zuverlässigkeitsprüfung nur mit Auflagen bestand.

Ob ein Lizenzentzug für Brunsbüttel und Krümmel tatsächlich auch einer rechtlichen Prüfung standhalten wird, ist in Kiel umstritten, auch in der SPD. Vattenfall fühlt sich in einer sicheren Position. Konzernsprecherin Barbara Meyer-Bukow sagte: "Wir gehen nicht davon aus, dass es Gründe gibt, uns die Betriebslizenz zu entziehen."

Ob Farbanschläge auf zwei Vattenfall-Dienstgebäude in Berlin mit den durchgerosteten Fässern in Brunsbüttel in Zusammenhang stehen, ist bislang ungeklärt. Bei den Attacken war in der Nacht zum Donnerstag ein 50 Jahre alter Wachmann verletzt worden. Er wurde bei dem Versuch, einen der Täter festzuhalten, von einer ätzenden Flüssigkeit an Kopf und Oberkörper getroffen und musste im Krankenhaus behandelt werden.