Bürger wollen Bahnbenutzungsregelung des Airports vor Gericht kippen. Im Kern geht es um die Frage, ob der Fluglärm gerecht verteilt ist.

Hamburg/Quickborn. Der vom Flughafen Fuhlsbüttel ausgehende Lärm wird jetzt vor Gericht verhandelt. Am Freitag kündigte die Interessengemeinschaft Flugschneise Nord aus Quickborn an, dass sie den Hamburger Senat als Luftfahrtbehörde verklagen wird. Die 1970 gegründete Initiative, die 300 Mitglieder zählt, will vom Hamburger Oberverwaltungsgericht festgestellt wissen, "ob Hamburg sich zu Recht auf die Bahnbenutzungsregelung für den Flughafen beruft", sagt ihr Vorsitzender Eberhard von Lany.

Im Kern geht es um die Frage, ob der Fluglärm gerecht verteilt ist. Seit Jahren wird knapp die Hälfte aller Starts und Landungen in Fuhlsbüttel (2011: 43 Prozent) über die nördliche Landebahn abgewickelt, die die Anwohner vor allem in Norderstedt und Quickborn mit Lärm belastet. Die drei anderen Bahnen, die den Hamburger Luftraum betreffen, teilen sich den Rest, wobei die Startbahn nach Alsterdorf so gut wie ungenutzt bleibt.

Diese ungleichmäßige Verteilung fußt auf einer Bahnbenutzungsregelung (BBR), die so seit dem Ausbau der Start- und Landebahn in nordwestlicher Richtung 1967 vom Flughafen angewendet wird. Demnach sollen grundsätzlich alle Flugzeuge über diese nördliche Piste starten und nachts auch landen.

+++ Weniger Nachtflüge am Airport Fuhlsbüttel +++

Klagen werde er oder ein anderes Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft, da dies nur ein betroffener Bürger machen könne, sagt von Lany. Juristisch vertreten lässt sich die Initiative von dem renommierten Verwaltungsrechtler Wilhelm Mecklenburg aus Pinneberg. Dieser führt nicht nur die Klage gegen den Bau des Lübecker Flughafens vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig. Der Jurist war es auch, der vor dem Landesverfassungsgericht durchgesetzt hat, dass die Sitzverteilung nach der Landtagswahl 2009 in Schleswig-Holstein nicht verfassungskonform war, weil sie nicht dem Wählerwillen entsprach. Deshalb müssen die Bürger im Norden nun vorzeitig am 6. Mai erneut ihr Parlament wählen.

Rechtsanwalt Mecklenburg hat für die Quickborner Fluglärmgegner bereits 2008 ein 70 Seiten starkes Gutachten erarbeitet. Es kommt zu dem Schluss, dass die praktizierte Bahnbenutzungsregelung ungültig ist. So ist die Originalurkunde der Regelung offenbar verschwunden. Trotz monatelanger Recherche war die Hamburger Luftfahrtbehörde nicht in der Lage, dieses Dokument vorzulegen. Da es aber Bestandteil der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung für den Flughafen im August 1967 war, stellt sich für den Pinneberger Juristen die Frage, "ob der Hamburger Flughafen überhaupt über eine gültige Genehmigung verfügt". Dies solle jetzt gerichtlich überprüft werden.

Der Prozess könne drei Jahre dauern. "Bis zur rechtskräftigen Entscheidung werden die Anwohner mit dem heutigen Zustand leben müssen." Dafür sei die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens zu groß und werde die Regelung zu lange praktiziert. Im Idealfall würde eine erfolgreiche Klage erreichen, dass eine neue Regelung für Fuhlsbüttel erarbeitet werden müsste. Daran wäre dann die Öffentlichkeit zu beteiligen, was 1967 nicht geschah. Die Bürger im Norden wären dann ebenso anzuhören wie die Hamburger.

Schlimmstenfalls könnte dabei für die Betroffenen in Schleswig-Holstein die bisherige Bahnverteilung festgeschrieben werden. "Dass dabei aber eine vollständige Sperrung der Bahn in Richtung Alsterdorf herauskommt, wie sie zurzeit praktiziert wird, ist kaum vorstellbar", ist sich der Jurist sicher.

Das Gericht werde nicht umhinkommen, sich mit der Frage zu beschäftigen, nach welchen Kriterien der Fluglärm einigermaßen gerecht verteilt werden soll. Dies sei bislang nicht geregelt. Denkbar wäre auch, dass keine neue BBR erlassen wird. Dann würden alle Starts und Landungen nach der Wind- und Wetterlage von der Flugsicherung über die vier Bahnen gelenkt. Auch dieses Ergebnis dürfte die Anwohner nördlich des Flughafens vom Lärm entlasten, sagt Mecklenburg.

Initiativensprecher von Lany sieht diesen Streit nicht als einen Konflikt zwischen den Bürgern zweier Länder an. Auch die Bevölkerung in Langenhorn und in Niendorf werde im Vergleich zu der in Alsterdorf unverhältnismäßig mit Fluglärm belastet. Das immer wieder vonseiten des Flughafens angeführte Argument, in Hamburg seien viel mehr Menschen als in Schleswig-Holstein betroffen, hält von Lany nicht für schlüssig. "Jeder Einzelne leidet darunter." Im Norden sei dies bei 182 Flugzeugen täglich über den Häusern ein ständiges Ärgernis, während es in Alsterdorf mit nur zwölf Fliegern erheblich seltener vorkommt.

In der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation wird die Klageankündigung gelassen aufgenommen. "Wir gehen davon aus, dass die geltenden Bahnbenutzungsregelungen rechtens sind", sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski.