Das Gericht verurteilt den Pädagogen Martin N. zu lebenslanger Haft und Sicherungsverwahrung. Er hatte drei Jungen ermordet, weitere missbraucht.

Stade. Wer glaubte, dass Martin N. nach seinem emotionalen Schlusswort vor zwei Wochen nun so etwas wie menschliche Regungen an den Tag legen würde, sieht sich eines Besseren belehrt: Der Angeklagte verschanzte sich wie gewohnt hinter einer zur Maske erstarrten Miene. Er wirkte apathisch, er mied jeden Blickkontakt mit den Angehörigen. Nicht einmal, als der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp das Urteil verkündete, zeigte der Mann mit dem buschigen Vollbart und der abgewetzten Jeans eine Reaktion.

Dabei hatte Martin N. gerade erfahren, dass er die nächsten Jahrzehnte im Gefängnis verbringen und vermutlich nie wieder auf freien Fuß kommen wird. Gegen den sogenannten Maskenmann hat das Landgericht Stade die härteste Sanktion verhängt, die nach deutschem Strafrecht möglich ist: Der 41-Jährige, der drei Kinder ermordet und neun weitere sexuell missbraucht hat, muss lebenslang ins Gefängnis. Weil seine Schuld zudem besonders schwer wiegt, darf ihm der Strafrest nicht nach 15 Jahren, sondern frühestens nach 20 Jahren zur Bewährung erlassen werden. Doch auch dann wäre er kein freier Mann, da das Gericht eine Sicherungsverwahrung nach der Haft angeordnet hat.

+++ Gericht verurteilt Martin N. zu lebenslanger Haft +++

+++ Ende eines bösen Traums: Lebenslang für "Maskenmann" +++

"Es bleibt zu hoffen, dass Ihnen nun eine gewisse Ruhe vergönnt ist", sagte Appelkamp zu den Angehörigen der Opfer. "Ihr unermessliches Leid verdient unser aller Anteilnahme. Sie haben sich sehr für Ihre Kinder eingesetzt." Gleichwohl handele es sich bei Martin N. nicht um eine "Kreatur", sondern um einen Menschen. Das Rechtssystem sei so, dass "immer Hoffnung besteht" - auch für jene, die "schwerste Straftaten" begangen hätten.

Im gesetzlichen Sinn "krankhaft gestört" sei Martin N. nicht. Bei seinen Taten war er voll zurechnungsfähig. Der 41-Jährige habe lediglich "schizoide Persönlichkeitsmerkmale", sei ein "einzelgängerischer und selbstunsicherer Mensch". Allerdings leide er unter einer ausgeprägten pädophilen Neigung, sei auf "präpubertäre Knaben" im Alter zwischen acht und zwölf Jahren fixiert. Martin N., im Berufsleben unauffällig und zurückhaltend, habe eine "Tag- und eine Nachtseite", so Appelkamp.

Bei den Objekten seiner Begierde handelte es sich stets um Jungen, zu denen Martin N. keine Beziehung aufgebaut hatte - Kinder, die er unter anderem auf seinen Autotouren durch Norddeutschland ab Anfang der 90er-Jahre suchte, um sie in seine Masturbationsfantasien einzubauen. Als Sexobjekte untauglich waren für ihn jedoch jene Kinder, für die er Verantwortung übernommen hatte - sein jüngerer Halbbruder zum Beispiel oder ein von ihm betreutes Pflegekind. Richter Berend Appelkamp sagte dazu: "Es gelang dem Angeklagten gut, ein Doppelleben zu führen."

Schullandheime in Badenstedt, Hepstedt und Wulsbüttel, Ferienzeltlager, Einfamilienhäuser in Bremen oder Delmenhorst - zehn Jahre machte Martin N. aus den ureigenen Schutzräumen der Kinder Tatorte. Mit einer schwarzen Maske und einem schwarzen Tarnanzug verkleidet, drang der Kinderschänder in die Gebäude und Zelte ein, meist riss er die Kinder aus dem Schlaf. Ein Junge, den er 1998 mit einer Pistole bedrohte, flehte: "Aber bitte nicht vergewaltigen." Nein, habe Martin N. da geantwortet, er wolle "nur ein bisschen fummeln". Viele, die die Begegnung mit ihm überlebten, bedurften lange psychologischer Hilfe. Wie Martin W., Nebenkläger in dem Verfahren. Ihn hatte Martin N. 1995 in seinem Kinderzimmer heimgesucht. Erst seine Hinweise hatte die Soko "Dennis" auf die richtige Spur gebracht, sodass Martin N. im April 2011 in Harburg festgenommen werden konnte. Den Ermittlern gestand der 41-Jährige dann, geschüttelt von Weinkrämpfen, die grausigen Taten. Ohne sein später auch vor Gericht abgelegtes strafmilderndes Geständnis hätten die Morde kaum aufgeklärt werden können, so Appelkamp.

Der 13 Jahre alte Stefan J. war 1992 sein erstes Opfer: Martin N. raubte den schlafenden Jungen aus der Eichenschule in Scheeßel, zwang ihn, sich auszuziehen, und erwürgte ihn, nachdem er das Nummernschild seines Autos erkannt hatte - aus Angst, dass ihm jemand auf die Schliche kommen könnte. Stefans Leiche vergrub er in den Verdener Dünen.

Im Fall von Dennis R., 8, sieht das Gericht neben einer Verdeckungsabsicht noch das Mordmerkmal Heimtücke. Mehrere Tage hatten Täter und Opfer 1995 in einem Ferienhaus in Dänemark verbracht, nachdem Martin N. den Achtjährigen aus einem Ferienlager bei Schleswig entführt hatte. Als der Junge spielte, habe er bewusst dessen Arglosigkeit ausgenutzt, ihn erwürgt und darauf in den Dünen verscharrt. Sein letztes (bekanntes) Opfer, der neunjährige Dennis K., musste sterben, weil er laut um Hilfe schrie, als ihn der Maskenmann in einem Wulsbütteler Schullandheim drangsalierte.

Es sind die schiere Zahl der Taten und die fatalen Folgen für die Opfer, die eine "besondere Schwere der Schuld" begründen, so Appelkamp. Zudem sei die Anordnung einer Sicherungsverwahrung verhältnismäßig: Martin N. bleibe rückfallgefährdet und damit "eine Gefahr für die Allgemeinheit".

Martin W. sagt: Das Urteil sei "Genugtuung pur". Nun könne er anfangen, alles zu verarbeiten.