Schon jetzt 45 Prozent mehr Niederschlag als sonst im ganzen Winter. Äcker unter Wasser. Bauern bangen um Ernte

Hamburg. Wenn der Curslacker Bauer Martin Lüdeke am Anfang des Jahres über seine Felder geht, schaut er normalerweise über weite grüne Flächen. Jetzt steht er im Wasser und blickt über "eine Seenlandschaft", wie er scherzhaft sagt. Doch lustig findet er das überhaupt nicht. "Weizen und Raps saufen ab", sagt er. "Die Wurzeln verfaulen im stehenden Wasser."

So wie ihm ergeht es vielen Landwirten in Norddeutschland. Seit sieben Wochen regnet es fast ununterbrochen. Die Böden in den flacher liegenden Regionen haben sich mit Wasser vollgesogen. Seit Anfang Dezember bescheren stabile westliche Winde dem gesamten Norden außergewöhnlich viel Niederschlag und milde Temperaturen. Zudem setzen schnell wechselnde Sturmtiefs der Küste zu.

"Und das ist vielleicht das Besondere in diesem Jahr", sagt Alexander Hübener, Leiter des Zentrums für Wetter- und Klimakommunikation. "Es gab kaum Pausen, in denen sich die Böden erholen konnten. Die Gewässer sind voll, die Böden gesättigt", zudem fehle der Frost, der für gewöhnlich gespeicherte Feuchtigkeit hält. In den vergangenen zwei Jahren sei der Boden wegen der langen Fröste "luftig" geblieben, heißt es vom Bauernverband.

Diese Kombination und das Fehlen der ruhigeren östlichen Strömungen führten nicht nur dazu, dass fast überall Land unter herrscht. Das könnte auch den Niederschlagsrekord in Hamburg purzeln lassen. Im Jahr 2000 fielen von Anfang Dezember bis Ende Februar 317 Liter pro Quadratmeter.

Bereits jetzt, gut einen Monat vor Winterende, seien 254,6 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gefallen, der langjährige Durchschnitt schon um 45 Prozent überschritten. Im Mittel fallen von Anfang Dezember bis Ende Februar 175 Liter. Es kommt noch schlimmer: "Weil die Elbe häufig Hochwasser führt, kann das Wasser nicht über die Entwässerungsgräben abfließen", sagt Heinz Behrmann, Präsident der Hamburger Bauernverbandes.

Und während etwa auf Sylt Millionen Kubikmeter Sand von den Stürmen ins Meer gerissen wurden, sich mittlerweile an den Stränden Abbruchkanten von vier bis fünf Metern gebildet haben, kämpfen die Bauern gegen dramatische Ernteverluste. Der Bauernverband rechnet mit Einbußen von einem Drittel bei Raps, Weizen und Gemüse. "Beim Raps ist es besonders schlimm, weil wir im vergangenen August wegen der Nässe weniger Saat ausbringen konnten", sagt Behrmann. Je länger die Pflanzen im Wasser stünden, desto mehr verfaulten die Wurzeln. "Das gilt ebenso für die Obstbaumkulturen, auch das Alte Land klagt über die Wassermassen", sagt Behrmann.

Johannes Pilarczyck vom Obsthof Marckquardt auf Finkenwerder sagt: "Wenn Bäume 24 Stunden im Wasser stehen, fangen die kleinen Haarwurzeln an zu faulen; das beeinträchtigt den Baum, denn er muss die Wurzeln im Frühjahr neu bilden."

Als Grund führt der Bauernverband nicht nur das Wetter an. Viele der kleinen Entwässerungsgräben seien nicht mehr gut gepflegt. "So muss man den Hamburger Bezirken Vorwürfe machen, weil diese die notwendige Pflege immer wieder aus fadenscheinigen Naturschutzgründen aufschieben", sagt Hamburgs Bauernpräsident. "Es kann nicht sein, dass es unseren Fröschen besser geht als den Menschen." In der Nähe von großen Wohngebieten komme hinzu, dass wegen der versiegelten Böden besonders viel Wasser in die Entwässerungsgräben fließe. Behrmann: "Wir haben uns auf immer feuchtere Winter einzustellen, deshalb brauchen wir gepflegte Gräben."

Im gesamten Norden brachte der fast durchgängig atlantische Einfluss im Dezember und Januar zu viel Regen. Bremen etwa erreichte laut Alexander Hübener mit 131 Litern im Dezember 218 Prozent des langjährigen Mittels, im Januar fielen auch schon 103 Liter, was 185 Prozent des Monatsdurchschnitts entspricht. Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover erreichte im Januar mit 98 Litern 188 Prozent ihres Monatsmittels, im Dezember fielen 90 Liter.

Und auch im hohen Norden, in Schleswig, prasselte außergewöhnlich viel Nass auf die Böden. Im Dezember fielen 135 Liter, was 154 Prozent des Durchschnitts entspricht, im Januar waren es bereits 103 Liter.

"Das Grundmuster der Wetterlage lässt aber noch keine Rückschlüsse auf den Februar zu", sagt Meteorologe Alexander Hübener. "In den nächsten Tagen stabilisiert sich das Wetter bei leichtem Frost und weniger Regen." Und wenn sich weiterhin Kaltluft über Skandinavien sammle, könnte es sogar noch echten Winter geben.