Experten diskutieren beim Verkehrsgerichtstag über neue Gefahren durch E-Bikes und Pedelecs. Helmpflicht und Tempolimit im Gespräch.

Goslar. Sie sind schnell, bequem, aber auch gefährlich: Rund 600.000 elektrisch unterstützte Fahrräder sind inzwischen auf deutschen Straßen und Radwegen unterwegs. In der kommenden Woche wird der 50. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar sich mit der heiklen Frage befassen, ob es Einschränkungen für diese Fahrräder, die Pedelecs genannt werden, geben muss. Diskutiert wird über ein Tempolimit, über Führerschein- und Helmpflicht. Und dann ist da noch eine Frage zu klären: Gehören die Pedelecs eigentlich auf die Straße oder den Fahrradweg?

Siegfried Brockmann wird dem entsprechenden Arbeitskreis einige Fakten mit auf den Weg geben. Er ist Leiter der Unfallforschung der Versicherer und setzt sich dafür ein, dass die Pedelecs als eigenständige Kategorie geführt werden, weil die bisherige Abgrenzung - Fahrräder einerseits und Kraftfahrzeuge andererseits - hier nicht greift.

Zu den allgemeinen Gefahren der Pedelecs, bei denen ein Elektromotor durch Treten der Pedalen für höheres Tempo sorgt, zählt er die hohe Wahrscheinlichkeit schwererer Kopfverletzungen wegen der fehlenden Helmpflicht. Und ebenfalls wegen der hohen Geschwindigkeiten rechnet er mit schweren Verletzungen, die Fußgänger bei Kollisionen mit den Pedelecs erleiden. Er warnt: Wenn Pedelecs auf den Fahrradwegen unterwegs sind, erhöht dies die Unfallgefahr schon deshalb, weil die normalen Fahrräder deutlich langsamer unterwegs sind. Zudem unterschätzten Autofahrer häufig die Geschwindigkeit der Pedelecs, weil sie von herkömmlichen Fahrrädern ausgehen - Pedelecs und Räder sind äußerlich kaum zu unterscheiden.

Bei den noch schnelleren Elektrorädern, die als Mofas oder Kleinkrafträder eingestuft sind, sieht Brockmann keinen Handlungsbedarf. Aber für die Masse der 25 km/h schnellen Pedelecs fordert er eine Helmpflicht und "ganz dringend" eine Altersgrenze von mindestens 15 Jahren: "Die Industrie bringt gerade immer neue Modelle speziell für junge Fahrer auf den Markt." Darüber hinaus sollten bei Pedelecs nicht die Alkoholgrenzwerte für Fahrradfahrer gelten, sondern dieselben Grenzwerte wie für das Fahren mit Kraftfahrzeugen. "In Städten wie Münster hat sich deutlich gezeigt, dass Alkohol auf dem Fahrrad ein echtes Problem ist."

Mit 250 Watt durch die Stadt stromern

Auch der ADAC will eindeutige Regeln. Sprecherin Katharina Bauer sagte dem Abendblatt, Pedelecs mit höchstens 250 Watt und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h sollten wie Fahrräder behandelt werden. In der Konsequenz will der ADAC deshalb anders als der Unfallforscher keine Helmpflicht für die langsameren Pedelecs. Diskutieren wird der Arbeitskreis auch darüber, ob es weitergehende Regelungen für Segways, die einachsigen Elektrofahrzeuge, auf denen man stehend fährt, geben soll. Und auch für "Bierbikes", auf denen mehrere Radfahrer gleichzeitig in die Pedalen treten, geht es um Fragen der Zulassung, der Versicherung und der Einordnung, um welche Art von Fahrzeug es sich handelt.

Was auch immer der Arbeitskreis beschließt, ist lediglich eine Empfehlung. Der Verkehrsgerichtstag, ausgerichtet von der Deutschen Akademie für Verkehrssicherheit mit Sitz in Hamburg, ist immer Ende Januar das größte Treffen von Experten: Juristen, Verkehrsunfallforscher, Versicherer, Straßenverkehrsbehörden, TÜV und die großen Interessenvertretungen der Autofahrer wie der ADAC. Die Erfahrung lehrt, dass ein Teil der Empfehlungen erst mit langer zeitlicher Verzögerung Eingang in Gesetze findet.

Auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag gibt es weitere Themen, bei denen mit Diskussionen gerechnet werden kann. Anders als in vielen Nachbarländern gibt es in Deutschland nur in ganz engen Grenzen einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung für die Angehörigen von Unfalltoten. Nur wenn die Angehörigen einen beweisbaren Schockschaden erleiden, können sie für sich eine Entschädigung, Trauergeld genannt, reklamieren. In Spanien etwa werden dagegen bis zu 160 000 Euro gezahlt, in Italien bis zu 80 000 Euro. Die Automobilklubs sehen hier dringenden Reformbedarf, von der Versicherungswirtschaft ist in Goslar eher Widerstand zu erwarten.

Heikel ist auch die Diskussion über die Verkehrsgefährdung durch krankheitsbedingte Mängel bei Fahreignung und Fahrsicherheit. Es geht dem Arbeitskreis darum, für klarere Maßstäbe und Grenzwerte zu sorgen.

Traditionell gibt es auf dem Verkehrsgerichtstag auch immer einen Arbeitskreis, der sich mit der Seeschifffahrt beschäftigt. Hier diskutieren die Experten in diesem Jahr die Frage des Einsatzes privater bewaffneter Sicherheitsdienste gegen die Seepiraterie insbesondere am Horn von Afrika. Die stellt, so der Verkehrsgerichtstag, inzwischen "eine ernste Bedrohung des freien Seehandels dar".