Am Sonntag wird im Dom die neu gebaute Orgel eingeweiht. Musiker loben den außerordentlich guten Klang und die Akustik des Doms.

Bardowick. Harald Vogel trägt feines Schuhwerk. "Orgelschuhe. Schmal und mit dünnen Sohlen, so müssen sie sein", sagt der Orgelsachverständige. Normale Straßenschuhe wären zu breit, um die feinen Pedaltasten zu bewegen. Fast liebevoll blickt er auf die hellen Tasten aus Buchsbaum und die dunklen aus Ebenholz, bevor er anfängt zu spielen. Drei übereinander angeordnete Klaviaturen, die sogenannten Manuale mit je 54 Tasten, bedient der pensionierte Landeskirchenmusikdirektor mit den Händen, dazu eine weitere Klaviatur - das Pedal - mit den Füßen. Links und rechts von den Manualen sind die Registerzüge.

Am Sonntag ist es nach jahrelanger Vorbereitung endlich soweit: Die neue Orgel im Dom zu Bardowick bei Lüneburg wird um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst feierlich eingeweiht. Das ist alles andere als alltäglich, denn nur alle paar Jahre entscheidet sich eine Kirche für einen echten Neubau, meist wird restauriert.

"Die alte Orgel war nicht mehr spielbar", sagt Volker Hemmerich, Leiter der Abteilung für Bauen und Kunstpflege der Klosterkammer Hannover. Die 1867 von Philipp Furtwängler aus Elze bei Hannover gebaute Domorgel war seit Mitte der 1990er-Jahre defekt und deshalb schon vor Jahren durch eine elektronische Orgel ersetzt worden. Doch der Klang in dem gotischen Backsteinbau war unbefriedigend. "Das hat der Bedeutung des Doms nicht entsprochen", sagt Detlev Saffran, Vorsitzender des Kirchenvorstands der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul.

Finanzielle Hilfe kam aus Hannover: "Der Dom gehört dem Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, den die Klosterkammer Hannover verwaltet", erklärt Baudirektor Volker Hemmerich. Der Klosterfonds, zu dessen Stiftungsvermögen über 800 meist denkmalgeschützte Gebäude und etwa 10.000 Kunstwerke gehören, ist seit 1852 für die Erhaltung des Bardowicker Doms zuständig und trägt 595.000 Euro der Kosten für den Orgelbau. Die Kirchengemeinde St. Peter und Paul übernimmt die restlichen 135.000 Euro.

Das Vorbild für die neue Orgel im thüringischen Stil der Bachzeit steht in der Kreuzkirche in Suhl (Thüringen). Die Orgelbauwerkstatt Alexander Schuke hatte 2007 bereits das Instrument in der ostdeutschen Kirche restauriert und empfahl sich damit für das norddeutsche Projekt.

Über eine dunkle Holztreppe gleich hinter der Dompforte führt der Weg nach oben zur Orgelempore. Beeindruckende siebeneinhalb Meter ragt das Orgelgehäuse in die Höhe. Der 145 Jahre alte Orgelprospekt, also die Frontseite, die vom Kirchenschiff aus sichtbar ist, konnte als einziges Relikt der alten Orgel wieder verwendet werden. "Ursprünglich stand die Furtwängler-Orgel in der Hamburger Kirche St. Nikolai", sagt Harald Vogel, der Orgelsachverständige der Klosterkammer. "Sie wurde dort 1842 aufgestellt, aber sie war den Hamburgern zu klein. Deshalb kam sie in den Dom."

Die Bardowicker freut es. Denn diesem Umstand verdanken sie die überaus filigrane Gestaltung des Orgelprospekts mit kleinen Kreuzen, Säulen und feinen Verzierungen. "Sie wäre sonst sicher viel einfacher gestaltet worden", sagt Harald Vogel, der auf allen bedeutenden norddeutschen Orgeln und auch weltweit gespielt hat. Im Zuge der Bauarbeiten auf der Empore, bei der die Statik verbessert und die gesamte Elektrik erneuert wurde, wurde auch der Orgelprospekt ein wenig Richtung Kirchenschiff vorgezogen, um mehr Platz zu schaffen. Jetzt ist die Orgel so groß, dass man sich darin recht mühelos bewegen kann. Holztreppen führen über dreieinhalb Etagen immer weiter in die Höhe. Der Orgelbauer Hartmut Beyer, der seit August 2011 mit seinen Kollegen das Instrument aufgebaut hat, schlängelt sich behände durch die 3148 Orgelpfeifen - sie sind zum Teil aus einer speziellen Zinn-Blei-Legierung hergestellt, zum Teil aus Fichtenholz. "Holz klingt weicher, flötiger", erklärt Firmenchef Matthias Schuke. "Und für thüringische Orgeln wird traditionell viel Holz verwendet. Schließlich ist Thüringen ein Holzland."

Über ein Jahr waren die Bestandteile des Instruments in der Orgelbauwerkstatt vorgefertigt worden. Der Einbau im Bardowicker Dom dauerte danach etwa zwei Monate. Dann ging es an die Feinarbeit. "Seit Mitte Oktober wurde intoniert", erklärt Firmenchef Matthias Schuke. Das heißt, der Klang jeder einzelnen Orgelpfeife wird eingestellt. Beyer ist darauf spezialisiert. "Alle Pfeifen haben einen kleinen Spalt, den man manipulieren kann." Wobei Manipulation hier keinen negativen Effekt hat, sondern im Gegenteil dafür sorgt, dass die Orgel ihre Klangfarbe erhält.

"Das ist hier ein Traumprojekt, alle Rahmenbedingungen passen zusammen", sagt Harald Vogel. "Der Dom ist sehr groß und hat eine traumhafte Akustik, die auch noch bleibt, wenn die Bankreihen voll sind." Und dann zieht er an der Orgel alle Register: "Volles Werk, mit Pauken und Trompeten", ruft er und haut in die Tasten. Dabei sind keine weiteren Instrumente im Spiel, sondern nur Register, die diese Namen tragen. "Das Orgelwerk Bachs steht im Mittelpunkt des Interesses von Organisten und Zuhörern. Dafür ist diese Orgel perfekt", sagt Harald Vogel. Und dann schickt er die Besucher nach unten, dort sei der Klang noch besser.

Während es draußen dunkel geworden ist, erzeugen die Lichter im Dom eine besondere Stimmung. Die Mauern des Bauwerks, das Ende des 14. bis Anfang des 15. Jahrhunderts erbaut wurde, sind bis zu dreieinhalb Meter dick - ein Bollwerk. Das Chorgestühl aus Eiche stammt aus vorreformatorischer Zeit - von 1483/84. Und jetzt das wunderbare neue Instrument. "Wir sind froh, dass wir wieder eine schöne Orgel haben, die der Würde des Doms entspricht", sagt Pastor Derik Mennrich, der den Gottesdienst am Sonntag leiten wird. Er rechnet mit mindesten 500 Besuchern und sagt mit Blick auf interessierte Hamburger: "Wir haben aber mindestens 700 Sitzplätze, und inklusive Stehplätzen kriegen wir 1000 Menschen unter."

Orgeleinweihung im Dom zu Bardowick (Beim Dom 9, 21357 Bardowick): Sonntag um 10 Uhr Festgottesdienst. Die Predigt hält Landessuperintendent Dieter Rathing, die Orgel spielt Professor Harald Vogel. 13.30 Uhr Orgelführung. 15 Uhr Kaffeetrinken im Gemeindehaus. 17 Uhr Orgelkonzert von Harald Vogel mit Werken von Johann Sebastian Bach und seinen Schülern, der Eintritt ist frei.