Dr. Oetker investiert 20 Millionen Euro in sein Wittenburger Pizzawerk und will 50 neue Jobs schaffen. Nachfrage bei Tiefkühlkost legt zu.

Wittenburg. "Es gibt leider viel zu wenige Norweger", sagt Wolfgang Teege und lacht verschmitzt. Die Skandinavier sind dem 58-Jährigen ans Herz gewachsen, weil sie weltweit die meisten Tiefkühlpizzen essen. Ganze fünf Kilo verputzen die Norweger im Jahr, und Teege freut sich darüber, weil er Werkleiter der Pizzafabrik von Dr. Oetker in Wittenburg ist und die belegten Rundstücke in 38 Länder exportiert.

Die Deutschen wirken bei dem Fertiggericht im Vergleich dazu fast enthaltsam. Sie folgen zwar auf Rang zwei der größten Tiefkühlpizzafreunde, kommen aber mit 2,4 Kilo Durchschnittsverzehr im Jahr bei Weitem nicht an die Spitzenverbraucher aus dem hohen Norden heran. Und das, obwohl die Deutschen als Entdecker der Italien-Reisen gelten können, am Gardasee für kilometerlange Staus sorgen oder in der Toskana dafür, dass so mancher Gastwirt seine Pizza Prosciutto den deutschen Busladungen schon resignierend als Schinkenpizza anpreist. Während Italien nun immer mehr Deutschland ähnelt, wetteifert Dr.Oetker in Wittenburg darum, geschmacklich möglichst italienisch zu erscheinen.

In seiner eierschalenfarbenen Fabrik, die unmittelbar neben der Autobahn 24 jedem Hamburger nicht nur auf dem Weg nach Berlin sofort ins Auge fällt, hat der Lebensmittelkonzern deshalb 20 Millionen Euro in eine neue Pizzaproduktion investiert. Zwar bringt es der Riesenofen in der nach frischem Teig und Tomaten duftenden Halle schon heute auf 750 000 Pizzen am Tag. Die liefert Dr. Oetker in Kühltransportern aus dem verträumten Landstrich in Mecklenburg-Vorpommern und per Schiff sogar bis nach Singapur oder Kanada, wo Salami mit Fenchelaroma besonders gut ankommt. Nun will der Hersteller seine Marktführerschaft weiter ausbauen: Mit einer Steinofenpizza, die dem Original vom Pizzaiolo, wie Teege seine italienischen, stets mehlbestäubten Pizzabäckervorbilder nennt, recht nahekommen soll.

Die Erweiterung des Werks um die Steinofenlinie soll nicht nur die bisher gut 700 Arbeitsplätze sichern, die Dr. Oetker zum größten Arbeitgeber der Region machen. Der Lebensmittelhersteller hat mit der Innovation auch noch einmal 50 neue Stellen geschaffen. Für Pizzabelagverteiler, Olivenplatzierer und andere Beschäftigte in der Produktion, die rund 1500 Euro im Monat verdienen und alle die Arbeiten machen, die Automaten überfordern.

Die Mitarbeiter, die in Schutzkleidung an den Fertigungsstraßen stehen, zaubern aus einem maschinell hergestellten Teigling eine appetitlich aussehende Pizza, weil nur sie den Blick dafür haben, wo die rote Cocktailtomate am besten aussieht. Schließlich isst das Auge auch bei Tiefkühl-Fastfood mit.

Teege ist stolz auf die Erweiterung des Werkes, das Oetker 1992 in der strukturschwachen Gegend eröffnete - doch viel wird er bei dem Rundgang vorbei an Laufbändern, wo der Teig backt und abkühlt oder der Käse auf die Pizza rieselt, nicht verraten. "Den Ofen dürfen Sie nicht fotografieren, die Technologie ist streng geheim", sagt er über das Wunderwerk der Technik, das abgeschottet hinter einem Vorhang neben der Produktion des Kassenschlagers Dr. Oetker Ristorante arbeitet. Nur so viel: Das Geheimnis liegt darin, dass der Teig für die Pizzainnovation direkt auf einem italienischen Stein backt und dadurch sowohl luftig, mit den handgemacht anmutenden Blasen, als auch knusprig werden soll.

"Wir haben einige Jahre an dieser Technologie gearbeitet", sagt Teege. Der Familienvater, der auch zu Hause hin und wieder am Herd steht, hat in seiner Versuchsküche im Werk Hunderte von Steinofenpizzaprototypen probiert, bis ihm das Exemplar mundete, das jetzt seit Frühjahr in den Regalen liegt und derzeit im Fernsehen beworben wird.

Dabei hat Dr. Oetker auch schon in den vergangenen Jahrzehnten viel Zeit gehabt, um seine Pizzen zu perfektionieren. Schließlich wird die Tiefkühlpizza in diesem Jahr 40. Und es war Dr. Oetker, der sie 1970 in die Supermärkte brachte. Heute backen die Deutschen jedes Jahr Pizzen im Wert von einer Milliarde Euro auf. Nach Dr. Oetker mit den wichtigsten Marken Ristorante, Die Ofenfrische und nun der Steinofenpizza Tradizionale ist Wagner aus Süddeutschland der zweitgrößte Lieferant dieses recht kalorienreichen Snacks.

Nicht nur Innovationen, sondern auch der Export sorgt für das Wachstum der Pizzasparte bei Dr. Oetker mit seinen zwei Produktionsstätten in Deutschland. Während vor 20 Jahren nur knapp ein Drittel der Pizzen ins Ausland ging, ist es heute bereits mehr als die Hälfte. "In Deutschland ist das Wachstumspotenzial des Marktes nicht mehr so hoch", so Teege. Daher schaut er jetzt verstärkt in Länder, in denen sich die Haushalte erst allmählich die ersten Backöfen und Kühltruhen leisten. "Wir gehen in neue Regionen wie beispielsweise Südafrika und China", sagt Teege. In 17 Ländern in Europa sei die Pizza "made in Germany" bereits Marktführer. Sogar in Italien, wo Raffaele Esposito 1889 den ersten Teigfladen belegte - damals noch ganz patriotisch in den Nationalfarben mit grünem Basilikum, weißem Mozzarella und roten Tomaten.