400 Gäste feiern Abschluss der Tiefbauarbeiten am XFEL. Dies bedeutet einen Meilenstein für das eine Milliarde Euro teure Forschungsprojekt.

Hamburg/Schenefeld. Es ist ein Blitzlichtgewitter der besonderen Art, das Wissenschaftler von 2015 an in einem unterirdischen Tunnel zwischen Bahrenfeld und der Stadt Schenefeld im Nordwesten Hamburgs mithilfe eines Super-Lasers erzeugen wollen. Sein Name: XFEL. Die vier Buchstaben stehen für X-ray Free Electron Laser. Der Strahl soll einen Blick in den bislang unsichtbaren Teil der Molekular-Welt ermöglichen.

Eine Hürde auf dem Weg zur Vollendung des einzigartigen Forschungsprojekts wurde jetzt genommen. Gestern feierten 400 Wissenschaftler, Ingenieure und Politiker den Abschluss der Tunnelbauarbeiten für den Röntgenlaser der Superlative in Schenefeld (Kreis Pinneberg).

Über 5,8 Kilometer erstreckt sich das unterirdische Netz vom Forschungszentrum Desy bis zum XFEL-Campus. Die Kosten für das Tunnelsystem belaufen sich auf 240 Millionen Euro. Insgesamt verschlingt das Projekt eine Milliarde Euro. Finanziert wird der Laser von zwölf Ländern. Deutschland trägt dabei 54 Prozent der Kosten.

Den Weg für das einzigartige Forschungsprojekt auf deutschem Boden bereiteten zwei Damen mit gigantischem Umfang: Tula und Ameli. Die beiden riesigen Bohrmaschinen wühlten sich zwei Jahre lang durchs Erdreich. In sechs bis 38 Meter Tiefe bewegten sie sich unterhalb von Straßen und Häusern von Bahrenfeld nach Schenefeld - nicht immer problemlos.

+++ Blick auf die Baustelle für den riesigen Röntgen-Laser +++

Zweimal sackte der Boden weg. Im November 2010 schlugen die Besitzer eines Reitstalls Alarm. In der Pferdekoppel mitten in der Osdorfer Feldmark klaffte ein 15 Quadratmeter großes Loch über dem Tunnel. Schuld seien außergewöhnliche geologische Umstände, hieß es damals vonseiten der eigens gegründeten European XFEL GmbH. Acht Monate später gab der Boden wieder nach. Diesmal im Vorgarten eines Einfamilienhauses an der Luruper Flurstraße. Ein neunjähriges Kind sackte beim Spielen in die Mulde. Es blieb unverletzt. Auch in diesem Fall war Tunnelbohrer Tula zuvor im Untergrund aktiv gewesen. Als Ursache wurde von der XFEL GmbH eine Linse aus ton- und kalkhaltigem Mergelgestein ausgemacht.

Problem Nummer zwei: der Lärm aus der Tiefe. Auf der gesamten Tunnelstrecke befinden sich etwa 3300 schwere Bodenplatten auf einem Betonunterbau. Wenn Gabelstapler darüber hinwegfuhren, kippelten sie und verursachten Geräusche, die laut European XFEL unerwartet über das Grundwasser an die Oberfläche drangen. Anwohner in Bahrenfeld, Lurup und Osdorf beschwerten sich vor allem über die nächtliche Ruhestörung. Denn die Bohrer standen fast nie still. Die Baufirmen besserten nach. Es wurde stiller.

Problem Nummer drei: In unmittelbarer Nachbarschaft zur Schenefelder Baustelle befindet sich eine der gefährlichsten Deponien in Schleswig-Holstein mit teils unbekannten Inhalten. Seit Jahren sickern Schadstoffe ins Grundwasser - in so hohen Konzentrationen, dass Filteranlagen nötig sind.

Doch die Arbeiten am XFEL gruben der Deponie das Wasser ab. Im August 2011 floss das Grundwasser plötzlich weiter nördlich am Sanierungsbrunnen vorbei. Mit drei weiteren Messstationen und einem Überwachungskonzept reagierte die Pinneberger Kreisverwaltung auf die neue Strömung. Mit dem letzten großen Durchbruch von Bohrer Ameli sind die Erdarbeiten jetzt abgeschlossen.

Kurz hinter der Hamburger Landesgrenze verzweigt sich der drei Kilometer lange Beschleunigertunnel, in dem die Röntgenstrahlen auf Tempo gebracht werden sollen. Abgeschossen werden die Elektronen vom Desy-Forschungsgelände aus. Desy übernimmt auch die Federführung bei Herstellung, Einbau und Betrieb des Linearbeschleunigers der Zukunft.

Die erzeugten Röntgenblitze, die heller als die Sonne strahlen werden, münden in einer Experimentierhalle in Schenefeld. Von 2016 an werden dort internationale Wissenschaftlerteams dank des Super-Lasers atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen aus dem Nanokosmos machen und chemische Reaktionen filmen. Etwa 250 Mitarbeiter sollen auf dem Forschungscampus arbeiten. Einer von ihnen ist der leitende Wissenschaftler Christian Bressler. Der 47 Jahre alte Physiker prophezeit: "Mit dem Laser werden wir Lücken in der Wissenschaft schließen. Wir machen unsichtbare Dinge sichtbar."

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