Es geht um Empfehlungen in der 4. Klasse, Religionsunterricht, Schülerbeförderung und Abschlussklassen

Kiel. Die Dänen-Ampel will Schleswig-Holstein stärker umkrempeln als bisher bekannt. Der gestern veröffentlichte Koalitionsvertrag enthält zahlreiche Einzelreformen, etwa die Abschaffung der Grundschulgutachten oder die Einführung eines konfessionsübergreifenden Religionsunterrichts. Zugleich mussten SPD, Grüne und SSW erste harsche Kritik einstecken, weil die Koalition Verkehrsprojekte auf Eis legt und halbherzig spart.

Gerade in der Bildungspolitik schlägt das rot-grün-blaue Bündnis neben den bekannten großen Punkten (weicherer Sparkurs in den Schulen und Garantie für reine G9-Gymnasien) viele kleine neue Pflöcke ein. Auf der Streichliste stehen die Schulartempfehlungen in der vierten Klasse und sogenannte Abschulungen schlechter Schüler, etwa vom Gymnasium auf eine Gemeinschaftsschule. Für Streit dürfte auch der Plan sorgen, anstelle der evangelischen oder katholischen Religionsstunde einen konfessionsübergreifenden Unterricht für alle anzubieten.

Auch bei den Gemeinschaftsschulen gibt es Änderungen. Sie sollen keine "abschlussbezogenen Klassen" (etwa Hauptschulabschluss) mehr bilden und bei Bedarf Oberstufen aufbauen dürfen. Details will die Koalition auf einem Bildungskongress mit allen Schulbeteiligten im Herbst klären. Im Anschluss soll das Schulgesetz geändert werden.

Für Kopfschütteln bei Kommunalpolitikern sorgt eine erneute Kehrtwende bei der Schülerbeförderung. Die Landkreise sollen wieder selbst entscheiden dürfen, ob sie Eltern die Schulbustickets mitbezahlen lassen. CDU und FDP hatten die Kreise ab Sommer 2011 zum Inkasso verpflichtet und waren dabei vor allem in Stormarn und Dithmarschen auf Widerstand gestoßen. Freuen dürfen sich die Kommunen im Umland. Sie sollen ab 2013 wieder Geld für Hamburger Kinder erhalten, die bei ihnen zur Schule gehen.

Mit der Hansestadt soll Schleswig-Holstein nach dem Willen der Koalition enger kooperieren. Auf der Wunschliste der Koalition stehen eine gemeinsame Schulplanung und ein einheitliches Management von Bus- und Bahnverkehr. Zusammen mit den anderen Küstenländern möchte Schleswig-Holstein eine große Kartellbehörde einrichten. Wichtigere Projekte, etwa eine gemeinsame Landesplanung mit Hamburg, scheiterten vor allem am Widerstand des SSW. Die Partei der dänischen Minderheit sperrte sich zugleich gegen den Plan von den SPD-Fraktionen in Hamburg und Kiel für einen gemeinsamen Parlamentsausschuss. Die Koalition will nur prüfen, wie Bürgerschaft und Landtag besser zueinanderfinden.

Bereits sicher ist, dass Kiel künftig keine Flughäfen mehr fördert. Das dürfte den Airport Lübeck treffen, könnte aber auch den Flughafen auf Sylt mittelfristig in Turbulenzen stürzen. Neue Kohlekraftwerke lehnt die Koalition ab. Die Beteiligung des Landes am Großtest für Lang-Lkws (Gigaliner) soll storniert werden, ein Verkauf der AKN-Eisenbahn unter sehr strengen Bedingungen möglich sein.

Den Kurs wechselt die Dänen-Ampel auch in anderen Bereichen. Der Naturschutz wird ausgebaut (bis zu 15 Prozent der Landesfläche), das Jagdrecht wird verschärft, Sparkassen- und Glücksspielgesetz geändert, und Kommunen sollen schon ab 10 000 Einwohnern Gleichstellungsbeauftragte einstellen müssen. Im Herbst will die Koalition ihren Haushalt für 2013 vorlegen und den Kommunen mit 15 Millionen Euro (Zuschuss für Krippenplätze) unter die Arme greifen. Dieser Zuschuss soll bis 2017 auf 80 Millionen steigen und das SPD-Versprechen (120 Millionen für Kommunen) zum Teil einlösen.

"So geht das nicht", sagte Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). Er forderte, den Kommunen ohne Festlegung 120 Millionen mehr zu überweisen. CDU, FDP und Unternehmensverbände griffen die Koalition an, weil sie die A 20 vorerst nur bis zur A 7 bauen will. "Die Dänen-Ampel kappt damit eine lebenswichtige Verbindung in die wirtschaftlichen Zentren Deutschlands", sagte CDU-Chef Jost de Jager. "SPD, Grüne und SSW bilden eine Koalition des Ruins", meinte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Schelte kam vom Steuerzahlerbund, Lob von den Gewerkschaften und Naturschützern.