Schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen will trotz rückläufiger Schülerzahlen Lehrerstellen erhalten und kleinere Klassen schaffen.

Hannover. Die niedersächsische CDU/FDP-Landesregierung kommt einer langjährigen Forderung von Lehrern, Schülern und Eltern nach: Viele Klassen an Gymnasien, Real- und Grundschulen werden kleiner. Acht Monate vor der Landtagswahl haben Ministerpräsident David McAllister und Kultusminister Bernd Althusmann (beide CDU) einen entsprechenden Erlassentwurf präsentiert. Möglich ist das nur, weil in Niedersachsen - anders als im benachbarten Schleswig-Holstein - trotz rückläufiger Schülerzahlen alle Lehrerstellen im System bleiben, hier nicht gekürzt wird.

Einen ersten Schritt hat Niedersachsen schon im vergangenen Sommer mit der Reduzierung der Höchstschülerzahlen um zwei auf jetzt 28 in den Eingangsklassen der Realschulen und Gymnasien getan. Jetzt erfolgt für die zehnten Klassen der Gymnasien sowie der Kooperativen Gesamtschulen ein noch deutlicherer Schnitt: Der Klassenteiler sinkt hier von 32 auf höchstens 26 Schüler. Die durchschnittliche Zahl der Schüler je Klasse wird dadurch nach ersten überschlägigen Berechnungen von etwa 27 auf 24 sinken.

Außerdem sinkt der Klassenteiler an den Grundschulen im ersten wie im dritten Schuljahr von 28 auf 26 Kinder. Diese Maßnahme führt dazu, dass nach zwei Jahren alle Klassen im rechnerischen Durchschnitt kleiner sind. Die bereits vor Jahresfrist per Erlass geregelte Verkleinerung der Eingangsklassen an Gymnasien und Realschulen wird mit Beginn des neuen Schuljahres auch für die sechsten Klassen wirksam und nach weiteren drei Jahren für Entlastung bis einschließlich Klasse neun sorgen. Realschulen und Gymnasien haben in Niedersachsen bislang die höchste Durchschnittsgröße der Klassen im Vergleich mit allen anderen Schularten gehabt. Konkret wird jetzt der Klassenteiler auf den Wert gesenkt, der bislang nur für die Integrierten Gesamtschulen gegolten hat.

Der damalige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte zu Beginn der Legislaturperiode das Versprechen abgegeben, auf die sogenannte Demografierendite zu verzichten, also nicht entsprechend dem Schülerrückgang auch Kosten durch Streichung von Lehrerstellen einzusparen. Aber die Verkleinerung so vieler Schulklassen schon mit Beginn des neuen Schuljahres am 3. September ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Kultusministerium sich an anderer Stelle verschätzt hat. Rund 20 000 Lehrern steht ab Herbst das Recht zu, in den vergangenen zehn Jahren geleistete Überstunden wieder abzubummeln. Von diesem Recht aber machen weniger Lehrer als erwartet sofort Gebrauch. Statt 1500 werden nur rund 1000 Stellen gebraucht, um den Unterricht auf bisherigem Niveau zu halten. Die verbleibenden 500 Stellen steckt die schwarz-gelbe Koalition jetzt überwiegend in die kleineren Klassen.

Wie McAllister sagte, hat die 100-prozentige Unterrichtsversorgung für die Landesregierung "absolute Priorität", erst die Fehlkalkulation beim Abbummeln der Überstunden brachte den notwendigen Spielraum: "Wir realisieren, was machbar ist."

Die Oppositionsparteien erinnerten daran, dass die schwarz-gelbe Landesregierung im Jahr 2004 die Klassenteiler erhöht hatte. "Minister Althusmann korrigiert jetzt einen Fehler, den die Landesregierung 2004 selbst angerichtet hat", rechnete die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Frauke Heiligenstadt, vor. Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ina Korter, nannte den Schritt der Landesregierung unzureichend: "Das ist alles andere als ein großer Wurf, eine Verkleinerung der Klassen ist in allen Schulformen nötig."

Fragen der Schulpolitik werden absehbar im Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen, der neue niedersächsische Landtag wird am 20. Januar 2013 gewählt. Spielraum hat eine Landesregierung unabhängig von ihrer Zusammensetzung für Reformen und Wohltaten, wenn sie auch weiterhin auf die "Demografierendite" verzichtet. Seit 2002 ist die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen bereits um 100 000 auf 900 000 gesunken, bis 2020 rechnet das Ministerium mit einem weiteren Rückgang auf dann nur noch 740 000.

Die schwarz-gelbe Landesregierung investiert derzeit nicht nur in kleinere Klassen, sondern auch in die neuen Oberschulen, in der Haupt- und Realschulen verschmelzen und die eine überdurchschnittlich gute Ausstattung auch mit Lehrern erhalten. Die Oppositionsparteien wollen dagegen auch kleinere Gesamtschulen zulassen, um ein möglichst umfassendes Bildungsangebot im Flächenland zu gewährleisten.

Im laufenden Jahr beträgt der Etat des Kultusministeriums rund fünf Milliarden Euro, das Land beschäftigt rund 87 000 Lehrkräfte.