Knackpunkte bei Koalitionsverhandlungen der Dänen-Ampel: Verhältnis zur Hansestadt, der Sparkurs und die großen Verkehrsprojekte.

Kiel. Die Parteien der Dänen-Ampel verhandeln ab heute darüber, wie sie Schleswig-Holstein in den nächsten fünf Jahren regieren wollen. Die größten Streitpunkte zwischen SPD, Grünen und SSW sind der Sparkurs, die Verkehrsprojekte und das Verhältnis Schleswig-Holsteins zu Hamburg. Vertreter aller drei Parteien sind gleichwohl zuversichtlich, dass ihr gemeinsames Regierungsprogramm am ersten Juni-Wochenende fertig ist und die sogenannte Dänen-Ampel mit der Wahl von Torsten Albig (SPD) zum Ministerpräsidenten am 12. Juni in Betrieb geht.

Bei allen Unterschieden in der Programmatik von SPD, Grünen und SSW zeichnet sich in vielen Bereichen bereits ab, wohin die Reise für die Bürger geht, so auch in der Finanzpolitik. Alle drei Parteien wollen einen sanfteren Sparkurs fahren als die abgewählte CDU/FDP-Koalition, die Schuldenbremse aber einhalten, also das strukturelle Haushaltsdefizit des Landes jährlich um mindestens 132 Millionen Euro reduzieren und spätestens für 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.

Umstritten ist, wie viel das Land sich noch leisten kann. Der SSW hat die längste Wunschliste (gut 300 Millionen Euro Mehrausgaben), die SPD eine nur etwas kürzere (gut 200 Millionen). Am sparsamsten sind die Grünen (etwa 50 Millionen). Sie wollen zudem nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der "mit Adam Riese" zu machen ist.

+++ Quo vadis, Kiel? +++

Trotz aller Bedenken sind sich alle drei Parteien einig, die Sparschraube etwas zurückzudrehen. So dürfte im Koalitionsvertrag stehen, dass die im schwarz-gelben Haushalt beschlossene Streichung von weiteren 300 Lehrerstellen im Sommer 2012 rückgängig gemacht wird. Auch in den Folgejahren wird eine Dänen-Ampel nicht alle der etwa 3000 Lehrerstellen streichen, die aufgrund des rapiden Schülerrückgangs rechnerisch verzichtbar sind. Vermutlich werden mindestens 1500 Stellen in den Schulen oder anderen Teilen des Bildungssystems verbleiben.

Als sicher gilt zudem, dass weitere Sparbeschlüsse abgeschwächt oder eingesammelt werden. Das gilt etwa für die Kürzung des Landesblindengeldes, die Einstellung der Landeshilfen für die Biolandwirtschaft oder die Senkung der Schulkostenbeiträge für die dänischen Schulen von 100 auf 85 Prozent. Hoffen dürfen auch einige Sozialeinrichtungen wie etwa Frauenhäuser oder Aids-Hilfen, bei denen Schwarz-Gelb gespart hatte.

Umstritten ist, wie stark das Land den Kreisen, Städten und Gemeinden unter die Arme greift. Hier ist Albig im Wort. Er hatte versprochen, den von der Großen Koalition 2007 eingeführten Griff in die kommunale Kasse (jährlich 120 Millionen Euro) schrittweise rückgängig zu machen. Der SSW sieht das ähnlich, die Grünen lehnen einen Blankoscheck für die Kommunen ab. Ein möglicher Kompromiss könnte sein, den Kommunen zweckgebunden mehr Geld zu überweisen, etwa für den Ausbau von Krippenplätzen.

Hinter den Kulissen wird eifrig gerechnet, wie viel welche Maßnahmen kosten und woher das Geld kommen soll. Eine volle Gegenfinanzierung wird es absehbar nicht geben, weil die schwarz-gelbe Koalition stärker gespart hat als rechnerisch nötig und damit einige kreditfinanzierte Mehrausgaben möglich sind. Ganz ohne Rotstift wird die Ampel aber nicht über die Runden kommen. Denkbar sind Einschnitte in der Verwaltung, bei den Pensionen oder bei der Polizei, die bisher weitgehend geschont wurde. Ob die Dänen-Ampel sich auf eine Verwaltungsstrukturreform einigen kann, ist fraglich. Der SSW will Großgemeinden, die Grünen möchten Großkreise, die SPD aber keine Zwangsfusionen auf Gemeinde- und Kreisebene.

Zweiter großer Streitpunkt neben den Finanzen sind die Verkehrsprojekte, wobei SPD und SSW erneut Seit an Seit gegen die Grünen antreten. Die Öko-Partei lehnt die A 20 samt Elbquerung bei Glückstadt weiterhin ab, ist aber bereits in drei früheren Koalitionsrunden (1996, 2000, 2005) eingeknickt. Auch diesmal dürften die Grünen ihre Position (kein Weiterbau der A 20 westlich Bad Segebergs) räumen, zumal sie bei dem zweiten großen Verkehrsprojekt, der festen Querung des Fehmarnbelts, punkten könnten. Der SSW und Teile der SPD sind von dem geplanten Belttunnel und dem umstrittenen Ausbau der Bahntrasse zwischen Lübeck und Fehmarn ebenfalls nicht begeistert.

Im Landeshaus wird erwartet, dass die Dänen-Ampel den Bund auffordern wird, das Belt-Projekt auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls aus dem Staatsvertrag mit Dänemark auszusteigen. Ins Wanken käme das größte Bauvorhaben in Nordeuropa durch den Einspruch aus Kiel allerdings nicht. Bauherr des Belttunnels ist Dänemark, und solange das Königreich an dem Projekt festhält, ist dagegen kaum ein Kraut gewachsen. Schleswig-Holstein könnte das Projekt als Planungsbehörde allenfalls etwas verzögern.

Offen ist, ob die Grünen als Entschädigung für ihr Okay zur A 20 ein Öko-Prestigeobjekt fordern, etwa eine Stadtregionalbahn für Kiel samt Umland. Eine solche Bahn ginge zulasten des Hamburger Umlands. Die dort geplante S 4 von Hamburg über Ahrensburg nach Bad Oldesloe soll teils aus den gleichen Töpfen bezahlt werden.

Dritter großer Knackpunkt in den Verhandlungen sind die Beziehungen Schleswig-Holsteins zu Hamburg. Die Grünen gelten als Vorreiter eines Nordstaats, wollen ihre Mitglieder nach der Sommerpause befragen, was sie von einer Fusion mit Hamburg halten. Die SPD will enger mit Hamburg zusammenarbeiten, einen gemeinsamen Ausschuss von Bürgerschaft und Landtag einsetzen. Der SSW, die Partei der dänischen Minderheit, kann sich konkrete Zwei-Länder-Projekte vorstellen, sieht aber schon die Metropolregion skeptisch, weil der strukturschwache Landesteil Schleswig außen vor bleibt. Ein Nordstaat ist für den SSW Teufelswerk und ein K.-o.-Kriterium für eine Regierungsbeteiligung.

Weil es ohne den SSW keine neue Regierung gibt, wird im Landeshaus damit gerechnet, dass die drei Parteien den Streitpunkt Hamburg mit wohlfeilen Formulierungen kaschieren. Im Koalitionsvertrag dürfte dann zu lesen sein, dass die gute Zusammenarbeit mit Hamburg vertieft und die mit Dänemark ausgebaut wird. Unklar ist, ob der SSW zumindest zulässt, dass sich die Dänen-Ampel für eine Reform des Länderfinanzausgleichs einsetzt. Sie ist entscheidende Voraussetzung dafür, dass Hamburg und Schleswig-Holstein im Fall einer Fusion auch finanziell über die Runden kämen. Ein Nordstaat bliebe so immerhin eine Option.