Ein Aktionsplan von 120 Nationen soll die genetischen Ressourcen der Nutztiere erhalten und helfen, die Ernährung der Landbevölkerung in Entwicklungsländern zu sichern.

Wenn heute die biblische Sintflut käme und Noah von jeder Tierart ein Paar mit auf seine Arche nehmen wollte, hätte er bei den Nutztieren Probleme: Welche der 1311 bekannten Rinderrassen sollte er mitnehmen? Die schwarz-weiße Holstein-Frisian-Hochleistungskuh aus Nordamerika, die schlanken, weißen Nelore-Rinder mit Ursprung Indien oder das braune Ankole-Rind aus Ostafrika? Und was tun angesichts 1409 Schafs-, 739 Schweine- und 1273 Hühnerrassen? Die Zahlen täuschen eine Vielfalt vor, die es so nicht gibt. So sind bei den Rindern 209 Rassen bereits ausgestorben, 210 gelten als bedroht. Und nur wenige Rassen dominieren weltweit. Mit einem "Globalen Aktionsplan" vereinbarten kürzlich 120 Länder, sich verstärkt für den Erhalt der Vielfalt der Nutztierrassen einzusetzen.

Grundlage war der Weltzustandsbericht zur Vielfalt der genetischen Ressourcen bei Nutztieren, den die Welternährungsorganisation FAO veröffentlichte. Danach sind 20 Prozent der 7600 registrierten Rassen bedroht, neun Prozent ausgestorben. In den letzten sechs Jahren ging fast jeden Monat eine Rasse verloren.

Hinzu kommt eine Dunkelziffer: "Es ist gut möglich, dass Rassen aussterben, bevor sie dokumentiert wurden", heißt es im FAO-Bericht. Zudem ist der Risikostatus vieler Rassen unbekannt, etwa in Afrika: Von 497 der dort dokumentierten 837 Rassen ist der Bestand unklar. Weltweit gilt dies für 2775 Rassen.

Der Internationale Aktionsplan will die Wissenslücke schließen und die genetische Vielfalt erhalten. Aber er hat keine Sanktionsmöglichkeiten, sondern kann nur politischen Druck ausüben. Die Länder können so aktiv werden: durch die Ausschaltung der Ursachen, die zur Bedrohung der Rassen führten, und durch Zuchtprogramme.

70 Prozent der Nutztier-Genressourcen befinden sich in Entwicklungsländern, meist auf kleinen, abgelegenen Farmen. Dort ist der Siegeszug der Hochleistungsrassen nicht angekommen oder das Importvieh versagte unter lokalen Bedingungen. Das Paradebeispiel für ein "Invasionsrind" - die vierbeinige "Milchfabrik", Typ Holstein-Frisian - grast in 128 Ländern. Nicht nur ihre Verbreitung, auch die Vermehrung führt zu genetischer Monotonie: Bei der Milchkuh "kommen einzelne ,Spitzenvererber' bis zu eine Million mal als Vatertier zum Einsatz", so das Öko-Institut in Freiburg.

Die anspruchsvolle Nordamerikanerin mit Holsteiner Blut kann in Afrika zum Existenzrisiko werden. In Uganda verdrängt sie das traditionelle Ankole-Rind, von dem Experten sagen, dass es innerhalb der nächsten 20 Jahre aussterben könnte. Doch während einer Dürreperiode konnten nur die Kleinbauern ihr Vieh zu weit entfernten Wasserquellen führen, die widerstandsfähige Ankole-Rinder hielten. Wer auf die Importrasse gesetzt hatte, verlor seine Herde, weil die Hochleistungskühe die weiten Wege nicht schafften.

Um die lokalen Rassen zu erhalten, suchen weltweit Experten nach reinblütigen Beständen, versuchen zusammen mit den Bauern gesunde Herden zu erhalten oder aufzubauen. Dabei bedienen sie sich der Tiefkühltechnik, frieren Samen sowie Eierstöcke bei minus 176 Grad in flüssigem Stickstoff in Genbanken ein. Der Stoffwechsel wird dabei gestoppt, die Zellen bleiben intakt und stehen für zukünftige Befruchtungen bereit - die Archen des 21. Jahrhunderts sind weniger sinnlich als das biblische Vorbild.