Feinstaub: Gasherde, Kerzen, Rauchen sind wichtige Quellen. Luftanalytiker haben 175 Hamburger Wohnungen untersucht, um die Staubbelastung in Räumen zu ermitteln. Oft maßen sie Werte, die die Vorgaben der EU für Außenluft übertrafen.

Zu hohe Feinstaubbelastungen tauchen eher in Wohnungen als in der Außenluft auf. Dies ist das erste Zwischenergebnis von Messungen in insgesamt 175 Hamburger Wohnungen. Die Raumluftanalytiker Martin Wesselmann vom Bau-Institut Hamburg-Harburg und Manfred Santen vom Labor Wartig haben im Rahmen ihrer Studie unter anderem 100 Wohnungen der Abendblatt-Leserschaft untersucht. "Insgesamt fanden wir in etwa 40 Prozent der Wohnungen höhere Belastungen als in der Außenluft", so Wesselmann.

Maßgeblich ist das Verhalten der Bewohner. Wer mit einem schlechten Staubsauger (ohne Feinstfilter) mehr Staub aufwirbelt als entfernt oder einen glatten Boden selten feucht wischt, erhöht vor allem den Gehalt an dem etwas gröberen Feinstaub (PM 10). Er ist der Brüsseler Maßstab für die Außenluft - vor allem in Großstädten stellen häufige Überschreitungen des EU-Grenzwertes von 50 Mikrogramm (9g) Staub pro Kubikmeter Luft die Kommunen vor Probleme. Der Wert wird auch in vielen Wohnungen erreicht, vor allem wenn dort Raucher leben. Wesselmann: "Unter gängigen Nutzungsbedingungen lassen sich in der Wohnraumluft PM 10-Gehalte von 30 bis 60 9g/Kubikmeter nachweisen, in Raucher-Haushalten können es mehrere hundert 9g/Kubikmeter sein."

Besonders alarmierend waren zusätzliche Messungen in vier Kindergärten: Die beiden Chemiker fanden dort PM 10-Gehalte von 150-400 9g/Kubikmeter Luft während die Kinder am Toben waren. Zwei Stunden nach Betriebsende sank der Feinstaubpegel auf etwa 50 9g/Kubikmeter - ein Zeichen, daß die Belastung vor allem durch das Herumtollen der Kinder entsteht. "Nicht alles, was wir da gemessen haben, sind Schadstoffe", betont Santen. "Aber die Werte legen die Notwendigkeit einer systematischen Untersuchung nahe, bei der die chemische Zusammensetzung der Partikel ermittelt und toxikologisch bewertet werden sollte."

Die beiden Chemiker fahnden zusätzlich nach noch feinerem Staub, den Nanopartikeln. Diese gelten als besonders gesundheitsgefährdend, da sie in die Blutbahn eindringen können. Ihre Anzahl schnellt bereits in die Höhe, wenn eine Kerze oder ein Teelicht angezündet wird - der Partikelgehalt im Zimmer kann sich dann verzehnfachen. Noch einmal fünfmal höher wird er, wenn ein Gasherd im Einsatz ist. Hier helfen eine Dunstabzugshaube und großzügiges Lüften nach dem Kochen.

Um zu ermitteln, wie gut die Luft ist, die beim Lüften einströmt, maßen Wesselmann und Santen immer auch den Feinstaubgehalt der Umgebung. Auch hier gab es Überraschungen. So lag der PM 10-Gehalt bei drei Wohnungen an der vielbefahrenen Bundesstraße 73 in Harburg in der Außenluft deutlich niedriger als in den Räumen, bei den Nanopartikeln dagegen deutlich höher - ein Zeichen, daß mit der Brüsseler Richtlinie womöglich die falschen, nämlich zu große Feinstaubpartikel reguliert werden.

Auch das Häuschen im Grünen sei kein Garant für reine Luft, warnt Wesselmann: "Der Einfluß von Kaminen wird völlig unterschätzt. Oftmals sind die Feuerstellen zwar gut zur Wohnung hin abgedichtet, aber dafür strömen die Partikel beim nächsten Lüften mit der Außenluft in die Räume. Durch Kamine und andere Heizungsabgase haben wir in der Umgebung von Einzelhäusern Werte von 180 oder sogar 280 9g/Kubikmeter Luft gemessen - deutlich mehr als an den Hauptverkehrsstraßen in der Nähe."

Viele Fragen seien noch offen, betonen die Chemiker, vor allem die Zusammensetzung der gemessenen Staubpartikel und deren Quellen: Überwiegen natürliche mineralische oder organische Körnchen, Ruß- oder technische Partikel, beispielsweise durch Reifen- und Bremsenabrieb? Im Zuge der Auswertung wird die Feinstaublast stichprobenartig genauer unter die Lupe genommen, um diese Wissenslücken zumindest zu verkleinern. Voraussichtlich im Mai werden dann die endgültigen Ergebnisse der Hamburger Feinstaubstudie feststehen.