Dauerhitze, Hurrikans und Malaria in Hamburg - dieses Schreckensszenario zeichnet das Buch “Die Erde schlägt zurück“ für das Jahr 2035. Die düsteren Bilder sind übertrieben, aber nicht aus der Luft gegriffen, urteilen Klimaforscher.

Mit dramatischen Visionen über den Zustand der Erde wollen Claus-Peter Hutter, Präsident der Stiftung NatureLife-International, und Umweltjournalistin Eva Goris die Menschen wachrütteln. Ihr Buch "Die Erde schlägt zurück" soll zeigen: Wenn die Weltgemeinschaft nicht bald konsequent handelt, wird das Leben durch Klimaveränderungen in einigen Jahrzehnten nahezu unerträglich werden, auch in Mitteleuropa. Für ihre Projektionen wählten sie das Jahr 2035, "damit der Leser sieht, dass auch er von den Folgen des Wandels betroffen sein kann", so Hutter.

Die Autoren schildern die Veränderungen anhand von fiktiven persönlichen Schicksalen. Im ersten Kapitel "Stürmische Zeiten" ist es eine Hamburger Ärztin:

Carolyn Petermann, Tropenärztin am Universitätsklinikum Eppendorf, steht vor dem Problem, dass Hunderte Hamburger an einer neuen Form der Malaria gestorben sind. Die Medikamente haben nicht angeschlagen. Ihr geht unaufhörlich eine Frage durch den Kopf: "Wo kommen all die Resistenzen gegen die neue Malariaprophylaxe her?"

Klimaforscher Prof. Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) fürchtet sich nicht vor Malaria: "Selbst wenn die Anopheles-Mücke verstärkt nach Deutschland käme, so würde unser Gesundheitssystem dafür sorgen, dass es kaum Malariakranke gibt. Die werden aber gebraucht, damit die Krankheit sich ausbreiten kann, indem die Mücken infiziertes Blut saugen können." Generell hält Stock jedoch viele beschriebene Entwicklungen für nicht ausgeschlossen, auch wenn sie frühestens zum Ende des 21. Jahrhunderts zu erwarten seien. Solch drastische Folgen wären denkbar, wenn der Treibhausgasausstoß - entgegen internationaler Klimaschutzziele - weiterhin wächst.

In acht Kapiteln malt das Autoren-Duo düstere Visionen vom Leben in knapp 30 Jahren. Diese basieren auf Fakten, die schon heute entsprechende Klimatrends zeigen und im Buch hinter jedem Kapitel aufgeführt werden. "Sie müssen die Fakten nur weiterdenken", so Hutter. Dies haben die Autoren gemacht.

Unsere Buchheldin Carolyn Petermann ist erschöpft, kann keinen klaren Gedanken fassen.

Die Hitze ist unerträglich. Seit mehr als acht Wochen steigt das Quecksilber im Thermometer über die 35-Grad-Marke. Dabei ist es erst Mitte Mai. Und Abkühlung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: In den Sommermonaten wird es noch schlimmer, und verheerende Stürme kommen hinzu. Für Klimaanlagen fehlt der Strom. Der wird für die medizinischen Geräte benötigt. Die Stadt Hamburg kann die Stromversorgung nicht mehr sicherstellen. Oft fallen die Systeme aus .

Eine achtwöchige Hitzewelle, die bereits im April beginnt, nennt Stock zumindest vom Zeitpunkt her unwahrscheinlich: "Hitzephasen treten eher im August und nicht schon im April auf. Und acht Wochen sind ziemlich lang. Allerdings können wir heute nicht sagen, ob in einigen Jahrzehnten die einzelnen Wetterlagen stärker wechseln oder stabiler werden. Dies ist wissenschaftlich noch unklar." Der Hamburger Klimaforscher Professor Martin Claußen kann sich solche Hitzephasen in der Hansestadt in 30 Jahren nicht vorstellen: "Es ist damit zu rechnen, dass wir in den kommenden Jahrzehnten häufiger heiße Sommer wie im Jahr 2003 bekommen. Doch selbst damals lag die mittlere Tagestemperatur im August bei 25 Grad."

Die im Szenario ebenfalls beschriebene Wasserknappheit ließe sich abwenden, so Stock, "wenn in der Wasserwirtschaft ein Paradigmenwechsel stattfindet. Heute gilt gerade in Ostdeutschland noch immer das Ziel, Niederschläge so schnell wie möglich wegzuleiten. Bereits heute haben wir trockenere Sommer, aber auch niederschlagreichere Winter. Wenn dafür gesorgt wird, dass Böden wieder mehr Wasser speichern und zusätzlich Reservoire angelegt werden, ließe sich auch zukünftig die Wasserknappheit im Sommer im erträglichen Rahmen halten."

Obwohl das Autoren-Duo die Hamburger schon heftig leiden lässt, setzt es noch einen drauf:

Vor den Toren Hamburgs zieht ein gewaltiger Sturm auf. Hurrikan Xenia rast mit über 220 Stundenkilometern auf die Hansestadt zu. Es ist der dritte Wirbelsturm in diesem Jahr. Doch diesmal braut sich ein Hurrikan bisher unbekannten Ausmaßes zusammen. Schon heulen die Martinshörner vom Dach des Katastrophenschutzzentrums. Früher war das ehemalige Luxushotel Atlantik in dem Gebäude. In der Klinik werden die ersten Sturmopfer eingeliefert. Wie Konfetti wirbeln Gegenstände wie Geschosse durch die Luft. Autos werden umhergeschleudert. Der Hurrikan peitscht die Elbe auf. Im Hafen werden Container weggeschwemmt und kollidieren mit Öltanks. Ein schwarzer zäher Ölfilm breitet sich auf dem Wasser aus. Der Fluss wird zum reißenden Strom, tritt über die Ufer.

"Hurrikane sind Tropenstürme", kommentiert Claußen das Geschehen, "ich habe noch nie gehört, dass sie zukünftig bis in die Nordsee kommen. Für das Mittelmeer wird dies vielleicht diskutiert werden. Allerdings ist es möglich, dass auch in unseren Breiten die Anzahl der stärkeren Stürme zunimmt."

Dass der Klimawandel den Menschen in Norddeutschland womöglich auch Vorteile bringen könnte (neben mediterranem Flair mag der Weinanbau dazugehören), macht das Buch nicht zum Thema - wie auch? Schließlich sind die beschriebenen Extremwetterlagen so zerstörerisch, dass beispielsweise die Weinreben vermutlich eingehen würden.

Der Hurrikan Xenia hinterlässt anno 2035 jedenfalls eine Katastrophe:

Der Sturm knickt Bäume und Straßenlaternen wie Grashalme, reißt Schilder und Balkongitter aus ihren Verankerungen und wirbelt sie durch die Luft. Doch das Schlimmste ist der Glasregen, der vom Himmel fällt. Die Flure des Krankenhauses sind überfüllt mit verletzten Menschen. Die Grenzen der Kapazitäten sind längst überschritten. Die Eingangspforte des Krankenhauses wird verriegelt, die Panzerglasscheiben automatisch mit einem Elektrozaun gesichert. Blutende Menschen betteln draußen um Hilfe. Sie bleiben sich selbst überlassen.

Buchautor Hutter hält die pessimistische Zukunftsvision für plausibel. Die Tatsache, dass der Klimawandel derzeit schneller voranschreitet, als von den Klimaexperten bislang angenommen, rechtfertige den Negativ-Blick in die Zukunft. Hutter: "Das Szenario ist der Worst Case, also der schlimmste anzunehmende Fall, wenn wir nichts gegen den Klimawandel tun. Aber es ist kein undenkbarer Fall." Der Naturschutzexperte möchte dennoch keine Endzeitstimmung aufkommen lassen: "Ich bin auch ein geborener Optimist. Wir können das Szenario noch verhindern, wenn wir jetzt umdenken."

Die beiden Klimaforscher aus Potsdam und Hamburg sind skeptisch, dass das Buch, wie die Autoren es erhoffen, aufrüttelt und die Gesellschaft zu mehr Klimaschutz bewegt. Claußen vergleicht das Werk mit dem visionären Kinofilm "The Day after Tomorrow", in dem die Stadt New York unter einer Eisdecke begraben wird. "Der Film führte in Deutschland dazu, dass der Klimawandel vermehrt als Science-Fiction abgetan wurde. Er wurde in die Kategorie Klimamärchen sortiert."