Leitbachen können erkennen, wenn ein Hochsitz besetzt ist. Zudem sorgt reichlich Nahrung für hohe Bestände.

Zwischen Jäger und Wild verhält es sich ähnlich wie im Märchen von Hase und Igel: "Wenn der Jäger mit seinem Geländewagen in den Wald fährt, nach dem Anhalten die Tür zuschlägt und auf seinen Hochsitz klettert, merkt das Wild in der Umgebung natürlich, was er vorhat", sagt Gregor Beyer von der Naturschutzorganisation Nabu, Leiter des Informationszentrums Blumberger Mühle im Norden Brandenburgs. "Ich habe selbst schon beobachtet, wie die Leitbache aus dem Unterholz kommt und misstrauisch kontrolliert, ob der Hochsitz besetzt ist. Sieht sie die Hände des Jägers dort oben, treibt sie ihre Rotte außer Schussweite."

Wildschweine haben offensichtlich gelernt, mit Hochsitzen umzugehen, von denen aus tödliche Schüsse fallen können. Sie sind örtlich längst zur Plage geworden, verbreiten sich bis in die Großstädte, und das nicht nur in Deutschland. Im US-Bundesstaat Texas beantragte sogar ein Abgeordneter, die Tiere per Hubschrauber zu jagen (das Abendblatt berichtete). Diese Diskussion gibt es in Deutschland noch nicht, aber Gregor Beyer hält die hier typische Jagd von Hochsitzen aus für wenig effektiv.

349 339 Menschen haben hierzulande nach Angaben des Deutschen Jagdschutz-Verbandes (DJV) einen Jagdschein. Etwa 90 Prozent sind im DJV organisiert. Daneben gibt es den viel kleineren Ökologischen Jagdverband (ÖJV); hier sind vor allem Förster organisiert. So verfolgen die beiden Verbände unterschiedliche Interessen. Während die Förster nach dem Grundsatz "Wald vor Wild" den Wald fördern und das Wild stärker im Zaume halten, geht es vielen Mitgliedern des DJV vor allem um das Erlebnis Jagd, oft verbunden mit gezielten Schüssen nach Trophäen.

Obendrein darf in Deutschland nicht jeder Landbesitzer mit Jagdschein auch jagen. Nur wer ein größeres Stück Wald oder Offenland besitzt oder ein Revier pachtet, darf dort auch auf Wildschwein, Hirsch und Co. anlegen. Für ein 500 Hektar großes Pachtrevier wird leicht ein fünfstelliger Eurobetrag im Jahr fällig. Obendrein muss ein Jagdpächter Schäden bezahlen, die zum Beispiel die Wildschweine aus seinem Revier anrichten, wenn sie die Ernte des Bauern in der Nachbarschaft umpflügen. Solche Zahlungen sind schnell höher als die eigentliche Pacht.

Wer also viel Geld ausgibt, will natürlich auch etwas davon haben. Und die meisten Menschen, die über ein entsprechendes Budget verfügen, haben nicht viel Freizeit und verbringen nur wenig Zeit im Revier. Weil das Wild rasch mitbekommt, ob ein Gewehr droht, weicht es aus. Deshalb haben Hobbyjäger gern hohe Wildbestände, damit sie in der Kürze der Zeit zum (Ab-)Zug kommen.

Mit den hohen Vermehrungsraten der Wildschweine sind die Hobbyjäger oft überfordert. Von Natur aus werden die Bestände meist durch Nahrungsmangel dezimiert, etwa bei schlechten Eichel- und Bucheckernmasten. Doch dank der Landwirtschaft gibt es auch in solchen Jahren immer genug Futter - es wächst z. B. auf Maisfeldern oder Äckern.

Forscher der Universität Wien haben errechnet, dass bei gutem Nahrungsangebot höchstens 20 Prozent der Frischlinge überleben dürfen, wenn der Bestand nicht aus den Fugen geraten soll. Gleichzeitig müssen 60 Prozent der jungen und 40 Prozent der geschlechtsreifen Bachen geschossen werden oder sonst wie verenden. In früheren Zeiten übernahmen Wölfe, seltener Luchse, diesen Job, doch die sind in Deutschland bekanntlich längst ausgerottet worden.

"Der Mensch ist ein viel schlechterer Jäger als Wölfe oder Luchse", betont Gregor Beyer. Um die Bestände von Wildschwein und Co. trotzdem wirksam zu reduzieren, schlägt er die "Ansitz-Drückjagd" vor, die moderne Forstwissenschaftler wie Georg Sperber im Steigerwald schon seit Jahrzehnten praktizieren: Eine Gruppe Jäger geht mit ihren Hunden in ein Revier und verteilt sich unauffällig auf verschiedene Ansitze. Nach einer vereinbarten Zeit von etwa einer halben Stunde lassen die Jäger gleichzeitig ihre Hunde los. Diese stöbern rasch das im Wald versteckte Wild auf "und bringen es auf die Läufe", erklärt Gregor Beyer. Die Hunde sind darauf trainiert, das Wild nur kurz zu jagen und dann zum Hochsitz zurückzukehren. Nach wenigen Hundert Metern Flucht beruhigen sich die aufgescheuchten Tiere wieder. Während ein fliehender Hirsch oder ein Wildschwein schlechte Ziele abgeben, kann der Jäger im benachbarten Hochsitz zielsicher anlegen, wenn das Wild nach der Flucht ruhig in das nächste Versteck zieht.

Solche Drückjagden sind zwar sehr effektiv, können aber nur von geübten Jägern durchgeführt werden. Denn der Hund will das Wild hetzen, bis er es erwischt. Nur hartes, langes Training bringt ihn dazu, seine Beute nach kurzer Jagd ziehen zu lassen. Für ein solches Training hat der im Berufsleben oft viel beschäftigte Jagdpächter meist keine Zeit. Folge: Das Verhältnis von Hase und Igel bleibt nicht selten wie gehabt: Das Wild behält die Rolle des Igels, der den Hasen (Jäger) an der Nase herumführt.