Die Oste ist ein traditioneller Störfluss. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich die Fische, die seit 200 Millionen Jahren die Flüsse der Nordhalbkugel durchwandern, dort vermehrt, zu einem Zeitpunkt, an dem der Europäische Stör (Acipenser Sturio) bereits fast ausgestorben war.

Jetzt sollen die Kaviarfische altes Terrain zurückerobern: Am Sonnabend setzten Berliner Störexperten 50 Jungfische aus. Diese sollen den Wissenschaftlern zeigen, ob sich Störe in der Oste wohlfühlen. "Untersuchungen der Wasserqualität und die weitgehend naturnahe Struktur der Oste machen uns zuversichtlich, dass der Elbnebenfluss für Störe geeignet ist", sagte Dr. Jörn Geßner bei der Aktion in Bremervörde, "aber die eindeutigsten Hinweise liefern die Fische selbst. Wir werden sehen, ob sie sich längere Zeit in dem Gewässer aufhalten oder ob sie die Oste nur als Startstrecke nutzen und schnell in die Elbe abschwimmen." Letzteres wäre für die Störexperten ein Schlag ins Wasser. Dann wäre es unwahrscheinlich, dass die Fische zurückkehren, wenn sie geschlechtsreif sind (erst mit zehn bis 20 Jahren). Geßner arbeitet am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), das sich seit 1996 um die Wiederansiedlung des Europäischen Störs bemüht.

Die Art hat nur in der Gironde in Südwestfrankreich überlebt. Mit französischen Forschern und größtenteils finanziert vom Bundesamt für Naturschutz ging es darum, die empfindlichen Fische in Gefangenschaft zu vermehren. Seit 2007 gibt es an der Gironde Fischnachwuchs.

Die ersten 50 Störe wurden im September 2008 bei Lenzen in die Elbe ausgesetzt. Einer zeigte per Ultraschallsender, dass die Fische das Wehr Geesthacht flussabwärts ohne Schäden passieren. Im Hamburger Hafen schlüpfte der Fisch ("Marion") allerdings durchs Schallnetz und schwimmt seitdem inkognito weiter. Geßner vermutet die Pioniere in der Unterelbe. Die 50 jetzt ausgesetzten Artgenossen in der Oste sind ein bis zwei Jahre alt, 25 bis 30 Zentimeter klein (sie können bis vier Meter und 60 Jahre werden). Auch in der Oste trägt ein Jungfisch einen Ultraschallsender. Es sieht aus, als käme der Vorzeigestör gut zurecht. "Nach dem Aussetzen hat er sich 50 Meter flussabwärts ausgeruht", sagt Geßner. "In der Nacht ist er weitergewandert." Mindestens 14 Tage werden die Wissenschaftler ihn verfolgen - und hoffen auf einen Wanderrhythmus, der ihnen erlaubt, die Rund-um-die-Uhr-Überwachung täglich für ein paar Stunden zu unterbrechen. (hi)