Forum: Zwei Stunden lang diskutierten Experten und Gäste über Hamburgs Trinkwasser. Derzeit ist es von Natur aus sauber. Aber Chemikalien bedrohen die Grundwasservorkommen, und auch die Trinkwasserqualität könnte leiden - unter einer Privatisierung der Wasserwerke.

Wie viel Liter Wasser verbraucht Hamburg täglich? Im Schnitt 330 000 bis 340 000 Kubikmeter, etwa das Volumen der Binnenalster. Pro Kopf liegt der Haushaltsverbrauch bei 118 Liter pro Tag, neun Liter unter dem Bundesdurchschnitt. Oskar Kreska Wird in Hamburg mehr Grundwasser gefördert, als sich neu bilden kann? Ja. Zusätzliches Grundwasser fließt aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf Hamburg zu. Deshalb machen wir die Wasserversorgungsplanung mit den Bundesländern zusammen. Wolfgang Meier Das größte Hamburger Wasserwerk reichert das Grundwasser künstlich an. Es füllt Wasser aus der Bille von oben nach, weil die Neubildungsrate durch Regen nicht ausreicht. Klaus Lanz Wie stark belasten Industriechemikalien das Trinkwasser? Das Wasser für den Hamburger Raum kommt aus tiefen Grundwasserschichten und ist viele Hundert Jahre alt. Es kann also nicht mit Industriechemikalien verschmutzt sein. Knut Wichmann Wir können das Wasser praktisch so, wie es aus dem Brunnen kommt, an unsere Kunden abgeben. Nur die natürlichen Bestandteile Eisen und Mangan werden entfernt. Oskar Kreska Ist das Grundwasser in Gefahr? In Hamburg gibt es ein Problem mit Altlasten. So sind zum Beispiel aus der Deponie Georgswerder oder vom ehemaligen Stolzenberg-Firmengelände Schadstoffe ins Grundwasser gelangt. Manfred Braasch Alle stadteigenen Altlastflächen sollen bis zum Jahr 2010 saniert werden. Im Industriegebiet Eidelstedt wissen wir zum Teil nicht einmal, woher die festgestellten Schadstoffe im Grundwasser kommen. Dort haben wir Abfangbrunnen errichtet, die das belastete Wasser fördern und über Aktivkohle reinigen. Zum Glück fließt das Grundwasser sehr langsam, so dass sich Schadstofffahnen nur zögerlich ausbreiten. Wolfgang Meier In der Umwelt tauchen immer mehr Stoffe auf, die man lange Zeit nicht nachweisen konnte. Viele sind langlebig und passieren sowohl die Aufbereitungsschritte der Wasserwerke als auch die Klärwerke. Wir müssen politischen Druck ausüben, damit das Chemikalienrecht solche Stoffe gar nicht erst zulässt. Hier wünschen wir uns noch mehr Unterstützung der Wasserversorger. Klaus Lanz Gibt es Probleme mit Pflanzenschutzmitteln im Alten Land? Wir haben in der Süderelbmarsch Mittel aus dem Obstbau in den Oberflächengewässern gefunden, nicht aber im Grundwasser. Wenn Pestizide im Hamburger Grundwasser auftraten, dann stammten sie meistens aus der Unkrautbekämpfung auf Bahngleisen. Das waren immer Einzelfunde, keine flächendeckenden Verschmutzungen. Wolfgang Meier Sind bereits Medikamentenrückstände aufgetaucht? Im Bereich des Wasserwerks Baursberg gibt es vereinzelte Funde. Sie liegen in so geringen Gehalten vor, dass man sie nur mit einer extrem feinen Analytik findet. Wir suchen nicht flächendeckend nach diesen Stoffen, sondern nehmen uns mögliche Quellen vor: Hausanschlussleitungen der Kanalisation, Krankenhäuser, Altenheime. Wolfgang Meier Es gibt bundesweit Überlegungen, Krankenhausabwässer speziell aufbereiten zu lassen. Knut Wichmann Wir wissen von vielen Substanzen nichts über die Umweltwirkungen, wohl aber, dass sie biologisch sehr aktiv sind. In den heutigen Zulassungsverfahren für Arzneimittel werden Wirkungen und Nebenwirkungen auf den Menschen geprüft. Aber es ist völlig egal, wie sich der Stoff in der Umwelt verhält. Klaus Lanz Wie wird das Hamburger Grundwasser geschützt? Es gibt sechs Wasserschutzgebiete. Und wir haben ein Überwachungsnetz, das mit 107 Messstellen zu den dichtesten in der Bundesrepublik gehört. Wolfgang Meier Auch die HWW unterhalten Messstellen in den Einflussbereichen unserer Förderbrunnen. Sie werden regelmäßig beprobt, um rechtzeitig erkennen zu können, ob auf einen Brunnen Schadstoffe zukommen. Dann würde er sofort stillgelegt. Oskar Kreska Gibt es Gesundheitsrisiken durch zu hohe Kupfergehalte? Das Kupfer kommt durch die Hausinstallation ins Wasser. Wir stellen das Wasser auf den ph-Wert 7,4 ein, damit Kupfer ohne Bedenken eingebaut werden kann. In diesem schwach basischen Bereich ist nicht zu erwarten, dass zu hohe Kupferwerte auftreten. Oskar Kreska Wer kleine Kinder hat und auf Nummer sicher gehen will, kann bei neu installierten Kupferleitungen vorsichtshalber morgens das Wasser ablaufen lassen, das über Nacht in den Leitungen stand. Klaus Lanz Kann ich meinen Vermieter verpflichten, Bleirohre auszuwechseln? Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm pro Liter Wasser. Können Mieter nachweisen, dass dieser Wert überschritten wird, haben sie gute Aussichten, ihren Vermieter notfalls juristisch dazu zu bringen, die Bleileitungen zu entfernen. Oskar Kreska Schätzungsweise 100 000 Wohnungen sind teils noch mit Bleiinstallationen ausgestattet. Blei kann vor allem Schwangeren und Säuglingen schaden. Betroffene können sich auch an Mietervereine wenden. Manfred Braasch Wer macht Bleianalysen? Die HWW bieten Analysen für 42,11 Euro an, für Schwangere sind sie kostenlos. Dazu müssen sich Interessierte bei uns in Rothenburgsort oder am Wasserbus drei präparierte Probeflaschen abholen. Sie können sich bei den HWW telefonisch erkundigen, wann der Wasserbus in der Nähe ihres Wohnortes ist. Oskar Kreska Was ist von Wasserfiltern zu halten? Sie sind aus hygienischer Sicht abzulehnen, denn sie neigen zur Verkeimung. Das gute Hamburger Trinkwasser muss nicht nachträglich aufbereitet werden. Knut Wichmann Wer hat das Thema Privatisierung aufgebracht? Die Hamburger Regierung überlegt, ob 400 staatliche Unternehmen verkauft werden können. Eines davon sind die HWW. Es soll kurzfristig Geld in die Stadtkasse kommen. Die HWW selbst will wachsen. Manfred Braasch Es gibt heute drei große Konzerne, die den Weltwassermarkt dominieren, zwei französische und RWE. Diese Unternehmen versuchen ständig zu expandieren, wollen in Deutschland kommunale Wasserwerke übernehmen. Das wollen auch die HWW. Gemeinsam mit dem Mannheimer Wasserversorger bieten sie auf den größten deutschen Wasserversorger Gelsenwasser. Es liegen weitere Gebote vor. Der Senat wird das Ergebnis des Verfahrens abwarten, bevor er eine Entscheidung fällt. Klaus Lanz Wie stark kann die Wasserqualität unter einer Privatisierung leiden? Es gibt heute bei den HWW einen sehr großen Teil an freiwilligem Umwelt- und Verbraucherschutz. Er steht zur Disposition. Natürlich gilt weiter die Trinkwasser-Verordnung, aber heute wird zum Beispiel auch nach Schadstoffen gesucht, deren Analyse gesetzlich nicht gefordert ist. Klaus Lanz Zeigt die Erfahrung, dass Staatsunternehmen besseres Wasser liefern als private? Dort, wo die kommunale Wasserversorgung in private Hände gelegt wurde, gab es überwiegend Verschlechterungen. So sind in Großbritannien die Qualität gesunken und die Preise leicht gestiegen. Zudem werden die Leitungssysteme nicht mehr so gut unterhalten. Manfred Braasch Was bedeutet ein marodes Leitungsnetz? Hohe Wasserverluste. Das Hamburger Netz verliert etwas mehr als zwei Prozent. Das ist ein Spitzenwert, den wohl kein anderer deutscher Wasserversorger hat - auch begünstigt durch die Geologie ohne große Bodenbewegungen. Oskar Kreska Wo stehen die HWW im internationalen Vergleich? In England gab es 1989 durch Margaret Thatcher eine Zwangsprivatisierung. In den meisten englischen Netzen haben wir heute Verluste von 35, teils 40 Prozent. Die Themse Water, der Londoner Versorger, betont, dass dies betriebswirtschaftlich vernünftig ist, weil es viel teurer kommt, das Netz zu reparieren, als zusätzlich Wasser einzuspeisen. Klaus Lanz Zusammenfassung: ANGELIKA HILLMER