Warum schloss Arthur Guinness 1759 den Pachtvertrag für seine Brauerei für 9000 Jahre ab? Welche Gedanken gingen Kanzler Helmut Kohl durch den Kopf, als er am 19. Dezember 1989 auf dem Dresdner Flughafen die Menschenmassen sah und sagte: "Die Sache ist gelaufen." Und warum schichtet Finanzspekulant George Sorros seine Milliarden um, nur weil er ein Stechen im Rücken verspürt?

Die Intuition verschafft sich oft auf bizarre Weise Gehör. Sie lenkt Entscheidungen der Weltgeschichte, bewegt Geldsummen und bestimmt Entschlüsse des Alltags. Doch Gegenstand der Forschung war sie lange Zeit nicht. Das hat sich geändert. Eine junge Forschergeneration stößt in die Tiefen des menschlichen Geistes vor und erforscht die Anatomie jener inneren Stimme. Die Entdeckung des Unbewussten habe "dramatischen Auftrieb" erhalten, so Neuropsychologe Jonathan Cohen von der US-Eliteuni Princeton.

"Je komplexer eine Entscheidung, desto mehr sollte man seinem Unbewussten vertrauen", sagt Ap Dijksterhuis von der Uni Nijmegen. Der Psychologe ließ Versuchspersonen das günstigste Auto aus verschiedenen Angeboten aussuchen. Alle, die unter Zeitdruck entschieden, wählten richtig. Der Holländer empfiehlt, nach dem Besuch im Autohaus sich zwei Stunden abzulenken - im Kino oder bei einem guten Essen - und dann den Entschluss zu fassen: "Das Unterbewusstsein arbeitet in der Zwischenzeit an der richtigen Lösung."

Dijksterhuis und seine Kollegen haben Quellen der Intuition aufgespürt. Sie wiesen nach, dass der Mensch mehr wahrnimmt und weiß, als er zu wissen meint. Der Heidelberger Psychologe Henning Plessner setzte Probanden vor einen Monitor, auf dem Werbespots mit Bikini-Schönheiten zu sehen waren. Am unteren Rand lief ein Band mit den Aktienwerten fiktiver Firmen. Bei der anschließenden Befragung konnten die Testpersonen spontan angeben, welche Unternehmen im Aufwind sind. "Das hat mir Ehrfurcht vor unserer Intuition gelehrt." Nur gut 40 Sinneseindrücke kann das Bewusstsein gleichzeitig verwalten. Pro Sekunde prasseln aber elf Millionen Eindrücke auf uns ein, selbst wenn man im Stuhl sitzt und döst. Sei es der Druck des Sessels auf Gesäß und Rücken, der Nachgeschmack des Salamibrötchens oder das Ticken der Uhr. Aus Mangel an Verarbeitungskapazität muss der Autopilot im Unterbewusstsein sich mit dem Gros beschäftigen.

Keine Entscheidung, so die Hirnforschung, kann der Verstand alleine treffen - ohne Gefühle. Sie sind wie ein Kompass, der den Menschen durch die vielen Gründe für oder gegen einen Entschluss zu einer Entscheidung führt. In einer Hirnregion hinter der Schläfe geschieht dieser teils magische Moment.

Drauf gekommen sind die Forscher durch das Leid von Patienten, die in dieser Region eine Verletzung tragen. Zum Beispiel ein 28-Jähriger, der vom Neurologen Yves von Cramon an der Uniklinik Leipzig behandelt wird. Er schien nach einem Autounfall geheilt. Die gängigen neurologischen Tests waren normal. Doch dann geriet sein Leben außer Kontrolle. Die Forscher stellten fest, dass er für eine Entscheidung alle Argumente aufsagen kann, nur der entscheidende, emotionale Funke dafür fehlt.

Cramon: "Ich bin überzeugt, dass es so etwas wie Intuitionskranke gibt."

Weitere Informationen: Gerald Traufetter: "Intuition - Die Weisheit der Gefühle", Rowohlt- Verlag., Reinbek; 336 S., 19,90 Euro.