Der Kristall ist nur wenige Zehntel Millimeter groß und erst durch ein Mikroskop zu erkennen. Doch so winzig er ist, so gewaltig ist das, was in ihm steckt.

Der Kristall ist nur wenige Zehntel Millimeter groß und erst durch ein Mikroskop zu erkennen. Doch so winzig er ist, so gewaltig ist das, was in ihm steckt: Bei der feinsten Berührung mit einem Laborspatel explodiert die Substanz sofort. Auf der Suche nach einem besseren Herzmedikament haben bayerische Forscher unbeabsichtigt einen der gefährlichsten Stoffe der Welt geschaffen.

Prof. Thomas Klapötke und Burkhard Krumm von der Universität München müssen bei der Arbeit mit dem Super- Sprengstoff extrem aufpassen. Ohne Lederjacke, Gesichtsschutz und Handschuhe aus dem hochfesten Material Kevlar geht gar nichts. Ihre Würzburger Kollegen um Prof. Reinhold Tacke hatten bei einem bekannten Wirkstoff, der gegen die Verengung der Herzkranzgefäße eingesetzt wird und zugleich als Plastiksprengstoff (Nitropenta) dient, ein Kohlenstoffatom durch ein Siliziumatom ausgetauscht.

Chemiker Tacke befasst sich seit Jahren mit diesem Atomaustausch in Arzneimitteln. "Durch diesen Austausch kann man die Eigenschaften eines Medikaments verbessern." So könnten auch die Nebenwirkungen verringert werden.

Doch ein Atomaustausch ist in diesem Fall nicht risikolos. "Es war uns schon klar, dass diese Substanz dann durchaus laut werden könnte", sagt Tacke. Mit einer derart heftigen Explosion hatte aber auch er nicht gerechnet.

Doktorand Dennis Troegel erinnert sich an den Tag vor drei Jahren, als sich plötzlich Glassplitter in sein Gesicht und den Hals bohrten. "Ich wollte nur an einem Heizregler etwas verstellen. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall mit einem grellen Lichtblitz. Dann habe ich 15 Minuten nichts mehr gehört." Trotz Sicherheitsvorkehrungen war eine winzige Menge - 20-tausendstel Gramm - der Substanz in die Luft geflogen. Glücklicherweise erlitt Troegel nur Schnittwunden und einen Schock. "Ich war schon zu Hause, als das Telefon klingelte", sagt Tacke, der sofort zurück zum Institut hetzte. Gemeinsam mit seinem Team habe er dann eine zweite Stoffprobe aus dem Haus geschafft. "Wir haben sie auf den Beton geworfen, da ist sie dann explodiert. Da war uns klar, dass wir hier etwas besonders Brisantes in der Hand halten", sagt der 57-Jährige. "TNT ist eine lahme Ente dagegen."

Er nahm Kontakt zum Sprengstoffexperten Klapötke auf, und eine Vorstufe der Substanz - harmlos wie Zucker - ging per Post nach München.

Die Münchner Chemiker, die sich auch mit Treibstoffen für Raketenantriebe beschäftigen, untersuchten den Super-Sprengstoff. "Wenn man ihn ganz leicht mechanisch belastet hat, wenn man ihn nur ein bisschen berührt hat, ist er explodiert", erinnert sich Klapötke. "Es ist einer der empfindlichsten Stoffe, die ich je hatte." Dass der zufällig entdeckte Sprengstoff zum Einsatz kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Selbst die Erforschung der Substanz ist zu gefährlich. "Wir müssen sie erst zähmen", sagt Klapötke.