Er macht sich rar. Ein Hauptgrund ist der Mangel an Nachwuchs, den Glasaalen. Die EU-Kommission will Abhilfe schaffen.

Aal in Gefahr: Seit zwei Jahrzehnten ist Anguilla anguilla, der Europäische Aal, auf dem Rückzug. Das merken vor allem die europäischen Binnenfischer: Früher gingen ihnen jährlich mehr als 30 000 Tonnen der wertvollen Fische ins Netz, heute sind es nicht einmal 10 000 Tonnen. Ein Aktionsplan der EU-Kommission will den Aalbestand so weit erhöhen, dass er "in sicheren biologischen Grenzen", also nicht mehr gefährdet ist. Über das Papier werden die EU-Fischereiminister am 16. und 17. April verhandeln. Aber vieles im Leben des Kosmopoliten, der mal im Salz-, mal im Süßwasser lebt, ist noch unbekannt, sodass unklar ist, wie gut die geplanten Maßnahmen wirken werden.

Der Lebenszyklus der Aale beginnt in der Sargassosee vor der Küste Floridas. Hier legen die erwachsenen Weibchen mehrere Millionen Eier ab. Aus ihnen schlüpfen zwei Millimeter große Larven, die zu Weidenblattlarven (benannt nach ihrer Körperform) heranwachsen. Jetzt beginnt die erste große Wanderung: Mit dem Golfstrom schwimmt der Nachwuchs quer durch den Nordatlantik, bis er nach etwa drei Jahren an den europäischen und nordafrikanischen Küsten ankommt. Dort hat er das Glasaal-Stadium erreicht - die sieben Zentimeter großen Mini-Aale sind fast durchsichtig.

Schon diese Winzlinge werden befischt. Allerdings ging der europäische Glasaalfang mangels Masse drastisch zurück: von knapp 1000 Tonnen Mitte der 90er-Jahre auf unter 100 Tonnen im vergangenen Jahr. Nur ein kleiner Teil wird wieder als Besatzfisch in heimischen Gewässern freigelassen; der große Rest ist für den Bestand verloren.

Etwa die Hälfte des Fangs geht nach Asien, um dort in Aquakulturen zum Speisefisch heranzuwachsen. Vor allem in China sind Aalfarmen wegen der großen Nachfrage ein gutes Geschäft, sie produzierten 2005 gut 178 000 Tonnen Aal, gefolgt von 33 000 Tonnen in Taiwan und knapp 22 000 Tonnen in Japan - der Ertrag aller Aalfarmen in Europa lag 2005 bei 8300 Tonnen.

Ein Gutteil der gefangenen Glasaale wird direkt verspeist. Die wurmartigen Minifische gelten in manchen Ländern Südeuropas als Delikatesse. Sie werden zum Beispiel in Dosen verkauft, die kaum größer sind als Sardinenbüchsen, aber um die 300 Fischchen enthalten. Ein paar Jahre später würde jedes einzelne Tier ein Vielfaches des Gewichts auf die Waage bringen.

Vor allem die gestiegene Nachfrage durch asiatische Aquakulturen habe den Preis für Glasaale in die Höhe getrieben, sagt Fischereiökologe Dr. Klaus Wysujack von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei. Anfang der 90er-Jahre lag das Kilo noch bei umgerechnet 80 Euro. Zwischenzeitlich war ein Spitzenwert von mehr als 1000 Euro zu zahlen; heute kostet das Kilo etwa 600 Euro. Das Aussetzen von Jungaalen sei einfach zu teuer geworden, betont Ronald Menzel, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Binnenfischerei. Nur etwa 14 Prozent der ausgesetzten Tiere würden später von den Binnenfischern wieder gefangen.

Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Aktionsplan sieht vor, dass zukünftig 75 Prozent der vor Europas Küsten gefangenen Glasaale in heimischen Gewässern ausgesetzt werden müssen. Allerdings glaubt Gerd Conrad, Ministerialrat im für Fischerei zuständigen Landwirtschaftsministerium, nicht, dass dieses Ziel in den Beratungen des Ministerrates Bestand haben wird - "alles über 50 Prozent wäre ein Erfolg".

Von Natur aus wandern die Glasaale die Flüsse hinauf, einige bleiben im Brackwasser der Küsten. Sie werden wegen ihrer gelblichen Bauchfärbung jetzt Gelbaale genannt. Etwa ein Jahrzehnt bleiben sie in den Binnengewässern und sind hier zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Neben den Berufsfischern stellen Hobbyangler und Kormorane ihnen nach. Dann folgt die letzte Wandlung zum Blankaal: Der Fettgehalt der Tiere steigt auf 25 bis 30 Prozent der Körpermasse an, Brustflossen und Augen vergrößern sich. Die geschlechtsreifen Aale sind jetzt bereit zu ihrer letzten großen Reise: der Rückkehr in die 5000 bis 6000 Kilometer entfernte Sargassosee, die sie mithilfe des Erdmagnetfeldes finden. Dort laichen sie und sterben danach.

Doch vor der Rückkehr in den Atlantik steht eine weitere große Hürde: Wasserkraftwerke. "Je nach Anlagentyp sterben 30 bis 70 Prozent der Fische bei der Passage durch die Turbine", sagt Fischereiforscher Wysujack. "Wenn die Tiere in manchen Flüssen neun oder zehn Kraftwerke passieren, überlebt nur ein Bruchteil." Er fordert aalfreundliche Umbauten an den Kraftwerken und Fischpassagen in den Flüssen. Zusätzlich setzten Lebensraumverluste und Krankheiten den Aalen zu, möglicherweise auch durch den Klimawandel veränderte Meeresströmungen. Dafür gebe es bereits Anhaltspunkte, so Wysujack.

Nach den Plänen der EU-Kommission sollen verbindliche nationale Managementpläne der Mitgliedsländer zukünftig dafür sorgen, dass zumindest 40 Prozent der Europäischen Aale wieder in den Ozean zurückkehren können - und damit eine Chance erhalten, sich in der Sargassosee zu vermehren und so den Lebenszyklus der Aale zu vollenden.