Kindstod: Zwei sich widersprechende Untersuchungen. “Öko-Test“ empfiehlt eine Kokosmatratze, vor der Forscher der TU Dresden warnen. Übrig bleibt ein Streit: Wie glaubhaft sind Auftragsstudien?

Geht von Öko-Babymatratzen eine tödliche Gefahr aus? Diesen Eindruck erweckt ein Produkttest der Technischen Universität (TU) Dresden (das Abendblatt berichtete). Danach können Öko-Matratzen aus Kautschuk, Kokosfasern und Baumwolle auf dem Bauch liegende Kleinkinder in Gefahr bringen, weil sich ausgeatmete Luft und Wärme stauen können, was schlimmstenfalls zum plötzlichen Kindstod führen könnte. Nun erhebt die Zeitschrift "Öko-Test" in ihrer Mai-Ausgabe schwere Vorwürfe gegen die Dresdner Wissenschaftler: Der Hersteller des siegreichen Produkts unter drei getesteten Matratzen habe nicht nur die Untersuchung bezahlt, sondern auch sonst großen Einfluß auf den Test genommen.

Als eindeutige Siegerin ging eine Matratze aus dem Kunststoff Polyurethan aus dem Vergleich hervor. Sie wird als US-Import von der Firma t-rv vertrieben. Das Karlsruher Unternehmen zahlte 21 500 Euro an das Kinderschlaflabor der TU Dresden und lieferte nach "Öko-Test"-Angaben nicht nur die eigene, sondern auch gleich noch die Matratzen der Konkurrenz.

Professor Ekkehart Paditz, Leiter des Kinderschlaflabors der TU Dresden und Vorsitzender des Vereins "Babyhilfe Deutschland", der die Testergebnisse ebenfalls veröffentlichte, entgegnet: "Die finanziellen Zuwendungen flossen als Ersatz von Materialkosten. Und die Matratzen haben meine Kollegen vom Institut für Arbeits- und Sozialmedizin sowie unsere Kindermediziner ausgesucht." Die Zeitschrift "Öko-Test", die die umstrittene Kokos-Kindermatratze vor dem Dresdner Test selbst mit dem Prädikat "sehr gut" bewertet hatte, kritisiert zudem den Versuchsaufbau der Dresdner: Sie maßen an der Unterseite der Matratze genau unterhalb des Säuglingskopfes das ausgeatmete Kohlendioxid (CO2). Da die Siegermatratze eine vertikale Röhrenstruktur hat, fließt die Atemluft fast ungehindert senkrecht durch sie durch - 92 Prozent kamen an der Unterseite an. Bei einer handelsüblichen Schaumstoffmatratze waren es 46 Prozent, bei der Öko-Variante 20 Prozent. In ihr verteilt sich die Atemluft strukturgemäß über eine größere Fläche, so daß am Meßpunkt weniger CO2 austritt.

Durch die Prüfmethode, so "Öko-Test", "war das Ergebnis von vornherein klar". Die Zeitschrift zitiert aus dem Vertrag zwischen der Firma t-rv und der TU Dresden. Darin heißt es unter anderem: "Durch den meßtechnischen Nachweis erhält das Produkt gute Chancen für eine problemlose europaweite Markteinführung."

Doch "Öko-Test" geht noch weiter: Die großflächigere Verteilung der Atemluft sei ein Vorteil, denn dadurch bestehe keine Gefahr der Rückatmung. Dagegen atme das Baby bei der Röhrenform die gerade ausgeatmete Luft wieder ein. "Völliger Quatsch", urteilt TU-Wissenschaftler Paditz: "Zum einen bewegt sich ein Baby, zum anderen besteht die Struktur nicht aus einzelnen Röhren, sondern aus Waben, deren Wände zudem luftdurchlässig sind."

Paditz ist von dem Testergebnis überzeugt und warnt weiterhin vor Öko-Matratzen mit Kokoskern und vulkanisierter Kautschukmilch. Die Öko-Tester sehen sich dagegen durch ein Gutachten der Landesgewerbeanstalt Nürnberg bestätigt. Sie zitieren daraus: "Unserer Meinung nach ist es deshalb unzulässig, aus diesen Messungen Rückschlüsse über die Anreicherung von CO2 im Atemtrakt abzuleiten."

Das sei ein bezahltes Gutachten für den Qualitätsverband für umweltverträgliche Latexmatratzen (QUL), kontert Paditz. "Ich möchte nicht wissen, wieviel das Gutachten wohl gekostet hat."