Medizin: Nobelpreis geht an John R. Warren und Barry J. Marshall. Zwei australische Forscher erkannten bereits 1983, daß Helicobacter pylori Magengeschwüre auslösen kann. Das war der Durchbruch für die erfolgreiche Behandlung dieser Krankheit. Jetzt erhalten die Ärzte die höchste wissenschaftliche Auszeichnung.

Sie saßen in einer Kneipe im australischen Perth und schauten auf das Wasser, als der Sekretär des Stockholmer Nobelpreis-Komitees gestern John Robin Warren und Barry J. Marshall auf dem Handy erreichte. Er teilte ihnen mit, daß sie für ihre Entdeckung des Magenkeims "Helicobacter pylori" den Nobelpreis der Medizin erhalten werden. Die beiden Australier hatten sich wie in den vergangenen Jahren zur Bekanntgabe des Medizin-Nobelpreises im Swan Berry Cafe verabredet, weil sie schon seit längerem mit dem Anruf aus Stockholm gerechnet hatten. 23 Jahre nach ihrem sensationellen Beweis, der die Medizin revolutionierte, hat es endlich geklappt, die Sektkorken knallten. "Sie waren beide völlig begeistert", so Komitee-Sekretär Göran Lindvall in Stockholm.

Die Auszeichnung aus Stockholm ist in der Tat eine späte Anerkennung für eine Pionierleistung der außergewöhnlichen Art, für die die beiden Forscher zunächst heftig angefeindet wurden. Griffen sie mit ihrer These vom Magenkeim doch das geltende Dogma an, daß Magengeschwüre allein durch zuviel Magensäure und Stress entstünden. Unbeirrt hielten sie allen Widerständen zum Trotz daran fest, daß für diese Erkrankung eine neue Bakterienart verantwortlich sei. Dieser hatten sie den Namen "Helicobacter pylori" verpaßt. "Helico" steht für spiralförmig, und "pylori" bezieht sich auf den Ort im Magen-Darm-Trakt, wo sich dieser Quälgeist besonders gern aufhält: nahe des Magenausgangs zum Zwölffingerdarm.

Schon 1979 hatte Robin Warren (68), Facharzt an einem Krankenhaus, in der Schleimhautprobe eines Patienten mit einem Magengeschwür große Mengen Bakterien gefunden. Doch was Warren unter dem Mikroskop sah, widersprach allem, was er selbst in seiner Ausbildung gelernt hatte. Denn damals galt: Im Magen können gar keine Bakterien gedeihen.

Als Warren seine Entdeckung in Fachkreisen schilderte, schlugen ihm Hohn und Spott entgegen. Doch unbeirrbar forschte er weiter nach dem Zusammenhang zwischen den Bakterien und Magengeschwüren. Mit dem 14 Jahre jüngeren Barry J. Marshall kam Anfang der 80er Jahre der ideale Partner. Marshall war fest davon überzeugt, daß Warren recht hatte - und riskierte sogar seine Gesundheit, um das zu beweisen.

Marshall trank 1983 eine Suppe, die eine ziemliche Menge von Helicobacter pylori enthielt. Es sei nur ein kleiner, übel schmeckender Schluck gewesen, so Barry Marshall (54). Das Ergebnis war aber so eindeutig wie selten bei einem Versuch: Marshall, der zuvor keine Magenprobleme gehabt hatte, entwickelte mehrere Magengeschwüre. Dann vernichtete er den Keim erfolgreich mit Antibiotika. Das war der Beweis der Magenkeim-Theorie, den mehrere nachfolgende Studien untermauerten. 1994 erklärte das National Institute of Health (USA), daß Antibiotika das geeignete Medikament zur Therapie von Magen-und Zwölffingerdarmgeschwüren seien. Heute werden diese Erkrankungen mit einem Säurehemmer und zwei Antibiotika in 90 Prozent der Fälle erfolgreich behandelt. Ein Test auf Helicobacter pylori ist bei hartnäckigen Magenbeschwerden Routine.

Denn das Magenbakterium, das auch krebserregend wirken kann, ist weitverbreitet. Bereits jeder zweite Mensch soll diesen Quälgeist in sich tragen. Deshalb fordern Mediziner, den gefährlichen Quälgeist auszurotten. Die beste Strategie sei, so Wissenschaftler kürzlich auf einer Konferenz am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie (Berlin), einen Impfstoff zu entwickeln. Die grundlegende Strategie dafür ist bereits vorhanden.

Daran hatten die beiden australischen Nobelpreisträger wohl kaum gedacht, als ihnen einer der größten Durchbrüche in der medizinischen Bakteriologie gelang. Barry Marshall arbeitet heute an einem Zentrum für Helicobacter-Forschung in Nedlands, West-Australien. Warren lebt noch immer in Perth, wo er mehr als 30 Jahre als Pathologe an ein und derselben Klinik wirkte.

Weitere Informationen im Internet: Die "Helicobacter Foundation" von Barry Marshall: www.helico.com/

Das Nobelpreiskomitee: http://nobelprize.org/