ISS: Wochenlang suchten die beiden Astronauten nach einer undichten Stelle. Wird der Sauerstoff knapp? Gefährdet das Leck den geplanten Ausflug ins All?

Das Leck in der Internationalen Raumstation, das kurz vor Weihnachten auftrat und über zwei Wochen für Luftverlust und Druckabfall sorgte, ist nach Meinung der NASA "vermutlich gefunden", aber sicher sind sich die Wissenschaftler in Houston (Texas) nicht. Vor einer Woche hatten die Amerikaner etwas vorschnell gemeldet, dass man das Leck gefunden habe. Als Grund wurde und wird noch immer ein Stecknadelkopf großes Loch in einem Schlauch im US-Labor der Raumstation angesehen.

Zuerst hatten die Amerikaner vermutet, dass ein russisches Bauteil verantwortlich sei. Die beiden Astronauten Michael Foale und Alexander Kaleri haben Sonnabend zwei Sektionen der Raumabteilung luftdicht verschlossen, um einwandfrei zu klären, ob es nicht noch ein weiteres Leck gibt. Bis heute hofft die NASA, darüber Klarheit zu haben.

NASA-Chef Sean O'Keefe wird in diesen Tagen, während die faszinierenden Bilder der erfolgreichen Marslandung um die Welt gehen und Rover seine erste Exkursion auf dem Roten Planeten unternimmt, nur ungern auf die Luftprobleme in der ISS angesprochen. Nach der verheerenden Columbia-Katastrophe im Februar 2003 möchte man endlich von Erfolgen reden. O'Keefe will die Sache jedoch nicht beschönigen oder totschweigen. "Es war ein Problem, aber wir sind zuversichtlich, dass wir die Ursache gefunden haben", sagt er.

Die Ingenieure im Kontrollzentrum in Houston wurden erstmals am 22. Dezember 2003 auf den Luftaustritt aufmerksam. Sie informierten die beiden Raumstationsbewohner, den Amerikaner Michael Foale und seinen russischen Kollegen Alexander Kaleri. Diese begaben sich umgehend mit einem hochsensiblen Ultraschallgerät und anderen Apparaturen auf die Suche nach dem Leck. Am 11. Januar wurde Foale fündig.

Russen wie Amerikaner verweisen darauf, dass für die Besatzung keine unmittelbare Gefahr besteht. "Die Menge Luft, die wir verlieren und der damit verbundene Druckverlust sind sehr, sehr klein", erklärt Michael T. Suffredini, der für die Operation der Raumstation zuständige US-Techniker.

Täglich ging rund ein Kilogramm Luft verloren. Insgesamt verfügt die Raumstation über etwa 410 Kilo Luft. Das bedeutet, dass knapp fünf Prozent des Gesamtvolumens entwichen sind. Der Luftdruck in der Kabine hat sich von normalerweise 1,03 Kilogramm pro Quadratzentimeter auf 0,998 Kilogramm pro Quadratzentimeter reduziert. Bei einem Druckabfall auf unter 0,977 Kilogramm ist die Funktion einiger Geräte und Maschinen nicht mehr gewährleistet, gesundheitsschädlich würde es, so die NASA, erst ab 0,717 Kilo.

Soweit wird es nach Meinung von Suffredini nicht kommen, selbst wenn es noch ein zweites Leck gibt. "Wir haben genug Sauerstoff für über ein halbes Jahr an Bord, es gibt keinen Grund zu überreagieren", erklärt der Operationsmanager. Der Techniker erwähnt jedoch nicht, dass der Luftverlust nicht das einzige Problem der ISS ist. So hat der Ausfall eines Sauerstoffgenerators kürzlich die beiden Astronauten gezwungen, täglich zwei Spezialkerzen, die Sauerstoff produzieren, abzubrennen.

Ob man deshalb einen für den 26. Februar geplanten sechsstündigen Raumspaziergang durchführt, ist unklar. Erstmals sollte diesmal kein Astronaut in der Raumstation bleiben. Hatte man vor zehn Tagen noch das Okay für die Exkursion gegeben, hegt man nun Zweifel. Die "Washington Post" gelangte in den Besitz eines NASA-Dokumentes, das ein Risiko-Szenario eines solchen Ausflugs beschreibt. Aufgeführt werden sechs Risikofaktoren, etwa ein "plötzliches Abdriften der Raumstation, Ausfall des Kühlsystems, Feuer, plötzlicher Abfall des Druckes beim Verlassen und der Rückkehr zur Station und ein Versagen der Überdruckkammer" genannt. In dieser Woche soll über den All-Spaziergang entschieden werden.

Das wäre im Sinne der europäischen Partner, da Foale und Kaleri die ISS für die Ankunft eines neuen unbemannten europäischen Raumfrachters vorbereiten sollen. Die Japaner planen zudem bei dem Ausflug im All Material auf Beständigkeit testen zu lassen, wenn es von Mikrometeoriten getroffen wird.

NASA-Chef O'Keefe möchte den großen Erfolg der Marslandung und die Euphorie seiner Mitarbeiter, die US-Präsident Bush durch seine kühnen Pläne einer Mondkolonie und der Landung von Menschen auf dem Mars schürte, nicht gefährden. Sollten die beiden Astronauten in Bedrängnis geraten, können sie mit Hilfe einer angedockten russischen Sojus-Kapsel jederzeit zur Erde zurückkehren.