Viele Länder gängeln ihre Surfer. Firmen aus dem Westen liefern die Technik.

In vielen Staaten wird das Internet als Medium des freien Meinungsaustauschs bekämpft. Cyber-Dissidenten werden mundtot gemacht und landen sogar im Gefängnis.

Kein Medium eignet sich so gut für einen freien Austausch von Gedanken wie das Internet. So ist es kein Wunder, dass vielen Machthabern das weltweite Computernetzwerk ein Dorn im Auge ist. 13 "Feinde des Internets" führt die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) in ihrer Liste der restriktivsten Online-Zensoren.

"Was Art und Ausmaß der Kontrollmaßnahmen angeht, muss man stark nach den jeweils betroffenen Ländern differenzieren", erklärt ROG-Sprecherin Katrin Evers. Grundsätzlich sei es so, dass in jenen Regionen, in denen auch die traditionellen Medien Zensurmaßnahmen ausgesetzt seien, auch verstärkt der Zugang zum Internet kontrolliert werde. Das gilt ganz besonders für die Zeit vor Wahlen sowie für Staatskrisen.

So ging die birmesische Staatsmacht kürzlich nicht nur mit aller Härte gegen protestierende Mönche auf den Straßen vor. Auch in Sachen Internet erwarb sich die herrschende Militärjunta das zweifelhafte Prädikat, demokratische Stimmen so konsequent zu verfolgen wie kaum ein anderes Land.

So werden in den staatlich kontrollierten Internet-Cafes alle fünf Minuten Screenshots angefertigt, um das Surfverhalten der Nutzer überwachen zu können.

Die häufigste Methode, der Bevölkerung unbequeme Inhalte zu verwehren, ist die Filterung kritischer Webseiten und in den Augen der Machthaber anstößiger Inhalte. Auf der "Filtering Map" der für Meinungsfreiheit im Internet kämpfenden "OpenNet Initiative" ist verzeichnet, wo auf der Welt welche Inhalte zensiert werden. Zunehmend geraten dabei auch systemkritische Blogger ins Visier. Bestenfalls werden nur ihre Blogs gelöscht, schlimmstenfalls drohen den Cyber-Dissidenten Schikanen durch die Behörden oder sogar Gefängnis und Folter.

Es gibt allerdings noch zahlreiche andere Möglichkeiten, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. "Die Kontrollmethoden haben eine große Bandbreite", sagt ROG-Sprecherin Evers. "So haben die Menschen in Kuba beispielsweise praktisch gar keinen Zugang zum Internet, weil die Computernutzung reglementiert oder für die normale Bevölkerung schlicht unerschwinglich ist." In Weißrussland, wo es mittlerweile gar keine unabhängigen traditionellen Medien mehr gebe, sei das Internet über lange Zeit weitgehend unbeeinflusst gewesen. Das habe sich geändert: "Oppositionelle Webseiten werden gesperrt, und es gibt einen regen Austausch von Know-how mit anderen Nationen, beispielsweise China."

Tatsächlich erlebt das Internet im mit 1,3 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichsten Land der Erde derzeit einen Boom. Mehr als 160 Millionen Chinesen nutzen das Internet, 19 Prozent davon unterhalten eigene Weblogs. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass damit ein freier Meinungsaustausch gewährleistet ist. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht eines chinesischen Technikers beschreibt unter dem Titel "Eine Reise ins Herz der Internetzensur" die fast schon grotesken Ausmaße der staatlichen Kontrolle.

Während die Behörden gerne "technische Probleme" für nicht verfügbare Internetinhalte verantwortlich machen, beschreibt der Bericht die Mechanismen eines gigantischen Kontrollapparates mit mindestens 30 000 Internetpolizisten. Sie kontrollieren nicht nur Surfer und blocken Inhalte, sondern durchsetzen kritische Seiten mit propagandistischen Inhalten.

Und die staatlichen Behörden können mit tatkräftiger Unterstützung aus dem Ausland rechnen. "Leider müssen wir feststellen, dass häufig westliche Firmen die für die Überwachung notwendige Technologie bereitstellen", sagt ROG-Sprecherin Evers. Die Organisation habe deshalb zu einer Selbstverpflichtung der Firmen aufgerufen.

So filtern Internetfirmen wie die Suchmaschine Google Inhalte für bestimmte Länder vor - chinesische Surfer bekommen nur "bereinigte" Suchergebnisse zu sehen, werden aber immerhin darauf hingewiesen, dass ihnen etwas vorenthalten wird. Das Argument der Zensur-Helfer: Eingeschränkte Informationen seien immer noch besser als gar keine.

Von "abscheulichen Aktionen" sprach hingegen kürzlich der demokratische Abgeordnete Tom Lantos im Hinblick auf die US-Konzerne Google, Microsoft, Yahoo und Cicso Systems. Besonders die beiden letztgenannten sehen sich derzeit massiver Kritik an ihrer Unterstützung diktatorischer Informationspolitik ausgesetzt. Während Yahoo bereitwillig Daten chinesischer Nutzer an die Behörden weitergab, sollen Techniker des Netzwerkausrüsters zu seiner nach China exportierten Hardware gleich noch die gewünschte Filtertechnologie mitgeliefert haben. Neben der weltberühmten Steinmauer verfügt das asiatische Riesenreich nun über ein informationstechnisches Pendant: die "große Firewall".

Doch auch in den westlichen Demokratien ist die Meinungsfreiheit bedroht. "Wir beobachten mit Sorge, dass das Internet seit dem 11. September 2001 auch in westlichen Ländern stärker überwacht wird", sagt die Sprecherin der "Reporter ohne Grenzen". Auch wenn die Zensur eine ganz andere Dimension habe als in totalitären Staaten, nehme man diese Entwicklung durchaus zur Kenntnis und werde sich bei gegebenem Anlass entsprechend zu Wort melden.

Infos: Reporter ohne Grenzen: www.reporter-ohne-grenzen.de;

international: www.rsf.org/

"Handbuch für Cyber-Dissidenten": www.rsf.org/rubrique.php3?id_rubrique=542