Darmstadt/Kourou. Ein kleines Instrument an Bord der Raumsonde BepiColombo soll Geheimnisse des Planeten lüftenEin kleines Instrument an Bord der Raumsonde BepiColombo soll Geheimnisse des Planeten lüftenEin kleines Instrument an Bord der Raumsonde BepiColombo soll Geheimnisse des Planeten lüftenRaumsonde „BepiColombo“ braucht sieben Jahre bis zum Ziel. An Bord ist Hightech aus Deutschland

    Die Europäische Raumfahrtagentur Esa will den sonnennächsten Planeten Merkur erforschen: Die Sonde „BepiColombo“ startet am 20. Oktober vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana zum kleinsten und unbekanntesten Planeten unseres Sonnensystems. Mit an Bord ist eine Weltneuheit mit den Minimaßen eines Schuhkartons: das Infrarotspektrometer Mertis, made in Germany, genauer gesagt in Münster.

    Sieben Jahre fliegt das Hightech-Gerät, mit dem sich nur eine Handvoll Menschen auf dieser Erde auskennt. Mertis soll an Bord der Sonde Geheimnisse des Merkurs lüften. Vor allem seine Oberfläche erkunden und auch Puzzleteile liefern, die die Entstehung unseres Sonnensystems verstehen helfen. Per Funk sollen sie zur Erde geschickt werden.

    Planetologe Harald Hiesinger von der Uni Münster ist der wissenschaftliche Leiter von Mertis. Dessen Start wird er vor Ort verfolgen. Es ist eine Premiere und eine schwierige Mission. „Mertis zeichnet die Wärmestrahlung auf, die vom Merkur ausgeht. Daraus können wir Aussagen treffen, wie warm die Oberfläche des Merkur ist und wie sie zusammengesetzt ist“, erklärt Hiesinger. „Wir wollen herausfinden, welche Gesteine, welche Minerale auf der Oberfläche auftreten und welche physikalischen Eigenschaften sie haben“, erläutert der Professor für Geologische Planetologie. Und ob der Merkur-Kern wirklich flüssig ist.

    Der Merkur ist ein extremer Planet, rund 430 Grad heiß, kaum eine Mission hat sich bisher je an den sonnennächsten Planeten herangetraut. Die Europäische Raumfahrtagentur Esa und die japanische Agentur Jaxa hatten die Idee, gemeinsam eine Mission zu starten. Die Raumsonde „BepiColombo“ ist die erste Mission Europas zum Merkur. Nun ist es so weit: Eine Ariane-5-Rakete mit den zwei autonomen Wissenschaftssatelliten der Europäer und Japaner ist startklar.

    Ein Leichtgewicht, das extrem wenig Strom braucht

    Im Dezember 2025 – bei Ankunft der Raumsonde in der Ziel-Umlaufbahn am Merkur – sollen sich die beiden Satelliten trennen. Der japanische Satellit MMO erforscht dann das Magnetfeld, der europäische Satellit MPO die Oberfläche. Und dafür braucht es den kleinen Mertis. Das weltweit einmalige Messgerät hat eine längere Vorgeschichte. Es misst nur 13 mal 13 mal 18 Zentimeter, ist mit drei Kilogramm ein Leichtgewicht und braucht extrem wenig Strom, wie Mitschöpfer Hiesinger erklärt. Sonst seien Infrarotspektrometer „etwa tischgroß“. Aber zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Industriepartnern habe man binnen zehn Jahren eine Miniaturisierung geschafft, um das Instrument für die Mission raumfahrttauglich zu machen.

    In mehreren Vorbeiflügen soll sich der Satellit dem Ziel ganz allmählich und exakt nähern, denn: „Wenn wir nicht im richtigen Winkel und mit der richtigen Geschwindigkeit ankommen, wird unser Raumschiff von der Schwerkraft der Sonne eingesaugt.“ Bei den Vorbeiflügen am Merkur – und zweimal auch an der Venus – kann Mertis Test-Aufnahmen machen.

    Das Projekt erfordert sehr große Geduld. 2007 hat Hiesinger das Projekt übernommen – und sieben Jahre braucht es nun noch, bis die Messdaten vom Merkur kommen. „Wir hatten viele technische Probleme und Startverzögerungen. Natürlich möchte ich meine Messdaten am liebsten jetzt sofort haben, aber im Raumfahrtgeschäft dauert es eben.“

    Was erhofft er? Viele Antworten. Warum hat der Merkur so einen ungewöhnlich großen Eisenkern? Wie ist der entstanden? Wieso gibt es bei der Megahitze Wassereis-Ablagerungen auf den Kraterböden an den Polen? Wie ist die Oberfläche entstanden, wie zusammengesetzt? Die schwierige Reise der europäisch-japanischen Sonde bis zur Ziel-Umlaufbahn des Merkurs ist extrem kompliziert: „Das ist Christoph Kolumbus im 21. Jahrhundert“, sagt die Leiterin des Flugkontrollteams der Sonde, Elsa Montagnon.

    „Wir brauchen mehr Energie, als zum Pluto zu fliegen“, beschreibt der Flugdirektor für „BepiColombo“ und Leiter der Esa-Abteilung für interplanetare Missionen, Andrea Accomazzo, eine der größten Herausforderungen. Die Entfernung von der Erde zum Pluto ist wesentlich größer als die zum Merkur. Grund für den hohen Energiebedarf sei die Anziehungskraft der Sonne.

    Die 6,40 Meter hohe und 4,1 Tonnen schwere Raumsonde nähert sich ihrem Ziel in großen, elliptischen Bahnen. Dabei fliegt sie neunmal am Planeten vorbei, unter anderem um zu entschleunigen und nicht auf die Sonne zu fallen. Zuerst ist 2020 die Erde dran, dann zweimal die Venus und sechsmal der Merkur selbst.

    Die 24 Triebwerke von BepiColombo sind so komplex wie bei keiner anderen Mission zuvor. Erstmals sind auch vier elektrische Ionenantriebe darunter. Sie werden von – insgesamt 42 Quadratmeter großen – Solarzellen versorgt. Die Außentemperatur am Merkur betrage rund 350 Grad, die Panele mit den Solarzellen könnten aber nur bis 200 Grad aushalten, berichtet Montagnon. „Sie müssen ständig von der Sonne weggedreht werden.“

    Ein Jahr ist für die Forschung mindestens vorgesehen, MPO könnte aber auch bis zu vier Jahre halten. Dann werde der Orbiter voraussichtlich verglühen. „Die Reise zum Merkur ist eine Einbahnstraße“, sagt Hiesinger. „Mertis kommt nicht zurück.“