Paris/London. Einst schrammte eine Zwerggalaxie knapp vorbei – das blieb nicht ohne Folgen

    Viele Sterne unserer Milchstraße bewegen sich überraschend durcheinander. Das enthüllt eine Analyse von Daten des europäischen Satelliten „Gaia“. Verschiedene Gruppen von Sternen folgen demnach unterschiedlichen Routen, wie Astronomen um Teresa Antoja von der Universität Barcelona im Fachblatt „Nature Astronomy“ berichten. Das unerwartet turbulente Innenleben unserer Heimatgalaxie sei vermutlich die Folge eines Beinahe-Zusammenstoßes mit einer Zwerggalaxie vor einigen Hundert Millionen Jahren.

    „Gaia“ vermisst die exakten Positionen von rund einer Milliarde Sternen. Für einige Millionen Sterne bestimmt der Satellit der europäischen Raumfahrtagentur Esa dabei auch die genaue Geschwindigkeit und Flugrichtung im Raum. Bei der Analyse dieser Daten zeigte sich ein unerwartetes, spiralförmiges Muster. „Am Anfang wirkten diese Befunde einfach bizarr“, sagt Antoja. Die genaue Auswertung zeigte, dass sich Gruppen von Sternen in der galaktischen Scheibe unserer Milchstraße in unterschiedliche Richtungen bewegen – zugleich aber alle der globalen Rotation um das galaktische Zentrum folgen.

    „Es war ein bisschen so, als hätte man einen Stein in einen Teich geworfen, wo er Kräusel und Wellen erzeugt“, so Antoja. Anders als die Wassermoleküle in einem Teich, deren Schwingungen bald zum Erliegen kommen, hätten die Sterne ihre Bewegung bis heute beibehalten, heißt es von der Esa. Die weitere Untersuchung zeigte, dass der „Stein“ vor einigen Hundert Millionen Jahren in den galaktischen Teich geflogen sein muss. Das brachte die Wissenschaftler auf die Spur der Sagittarius-Zwerggalaxie, die einige Dutzend Millionen Sterne besitzt und vor 200 bis 1000 Millionen Jahren knapp an der Milchstraße vorbeigeschrammt ist.

    Die Begegnung mit der Zwerggalaxie war demnach ausreichend, um die Bewegung zahlreicher Sterne der Milchstraße zu stören. „Die Entdeckung war einfach, die Interpretation schwieriger, und das genaue Verständnis der Bedeutung kann mehrere Jahre dauern“, betont Ko-Autorin Amina Helmi von der Universität Groningen. Die überraschenden Bewegungsmuster der Sterne sind laut Esa erst jetzt aufgefallen, weil erst „Gaia“ so exakte Beobachtungsdaten liefern konnte.