Acton. Die Pflanzenteile trieben bis in die Antarktis – was Forscher bislang für unmöglich hielten

    Mehr als 20.000 Kilometer haben Seetang-Ableger zurückgelegt, die Forscher in der Antarktis gefunden haben. Noch nie sei ein längerer Transport von biologischem Material über die Ozeane nachgewiesen worden, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Communications“. Das Beispiel zeige, dass die Antarktis weit weniger vom Rest der Welt isoliert ist als bisher gedacht. Im Zuge des Klimawandels könnten sich so womöglich neue Organismen dort ansiedeln, wenn die Bedingungen aufgrund steigender Temperaturen weniger lebensfeindlich werden sollten.

    Bislang nahmen Fachleute an, dass die Antarktis und der südliche Ozean aufgrund der Meeresströmungen und der vorherrschenden Winde biologisch weitgehend von der übrigen Welt abgeschnitten sind. Die Wissenschaftler um Ceridwen Fraser von der Australian National University in Acton (Australien) untersuchten nun das Erbgut des in der Antarktis gefundenen Seetangs (Durvillaea antarctica), auch Kelp genannt.

    Die großen Algen stammten demnach aus Südgeorgien, einer Inselgruppe im Südatlantik, und aus dem Kerguelen-Archipel im südlichen Indischen Ozean. Sie haben damit etwa 25.000 Kilometer (von Südgeorgien) oder mehr als 20.000 Kilometer (vom Kerguelen-Archipel) zurückgelegt. Gefunden wurden sie an den Stränden einer zu den Südlichen Shetlandinseln gehörenden Insel, King George Island.

    „Um dahin zu gelangen, musste der Seetang Barrieren durchbrechen, die durch polare Winde und Strömungen aufgebaut werden und die bis jetzt als undurchdringbar galten“, erläutert Fraser. „Wir dachten immer, antarktische Pflanzen und Tiere sind anders, weil sie isoliert vorkommen. Aber diese Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Unterschiede fast vollständig auf die extremen Umweltbedingungen und nicht auf die Isolation zurückzuführen sind.“

    Im Zuge des Klimawandels könnte sich die Situation ändern, so die Forscher: „Wenn regelmäßig Pflanzen und Tiere über den Ozean bis in die Antarktis treiben, werden sie dort ansässig, sobald die lokalen Bedingungen dies zulassen“, sagt Adele Morrison, ebenfalls von der Australian National University.

    Die Ergebnisse folgten auf eine Studie, die kürzlich alarmierende Mengen von Mikroplastik landseitig der Antarktischen Polarfront gefunden habe, schreibt Nathan Putman vom US-Forschungsunternehmen LGL Ecological Research Associates (Bryan/Texas, USA) in einem Kommentar zur Studie. Es sei anzunehmen, dass der gleiche wellengetriebene Transport, der Seetang bis nach Antarktika treibt, auch die Verbreitung von Müll aus weit entfernten menschlichen Populationen in dem Ökosystem ermögliche. Zahlreiche Fragen bleiben demnach allerdings noch offen – etwa, ob die Wellen auch den vertikalen Transport, also von der Oberfläche in die Tiefe, verstärken.