Die Feiertagsessen hinterlassen weniger Spuren als erwartet. Experten erklären, warum der Gänsebraten generell schnell wieder verschwindet.

Hamburg/Potsdam. Plätzchen und Schokoladen-Nikoläuse, Ente, Gänsebraten oder Hering als fettes Festtagsessen, gefolgt vom üppigen Silvester-Raclette: Die Ernährung im Dezember war bei den meisten Menschen ziemlich gehaltvoll. Wie reagiert unser Körper darauf? Verlangt er grundsätzlich jetzt mehr Zucker und Fett? Stellt sich unser Stoffwechsel möglicherweise sogar dauerhaft um, damit er mit dem Mehrangebot umgehen kann? Prof. Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam gibt generell Entwarnung: "Der Stoffwechsel ist recht flexibel und verfügt über ein Puffersystem - er kann es ganz gut abfangen, wenn man mal mehr isst." Aber es gibt Ausnahmen.

Erst einmal kommt es darauf an, ob man normal- oder übergewichtig ist, und ob man gerade eine Diät macht beziehungsweise hinter sich hat. Der Stoffwechsel von Übergewichtigen ist gestört, und sie verarbeiten Nahrung schlechter als normalgewichtige Menschen: Sie nehmen schneller zu und langsamer wieder ab. Haben sie zusätzlich schon mehrere Diäten hinter sich, so hat der Körper auf Sparflamme geschaltet: Der Stoffwechsel hat sich darauf eingestellt, dass weniger Nahrung zur Verfügung steht. Wenn dann doch wieder mehr gegessen wird, reagiert er nicht mehr so flexibel und setzt besonders schnell Fett an. Auch ältere Menschen laufen Gefahr, in dieser Zeit mehr Energie aufzunehmen, als sie eigentlich benötigen - und somit schneller zuzunehmen. Denn ein 65-Jähriger braucht pro Tag etwa 300 bis 400 Kilokalorien (kcal) weniger als ein 20-Jähriger.

Ein interessantes Phänomen tritt bei normalgewichtigen Menschen auf: Amerikanische Forscher wollten mit einer Studie herausfinden, wie der Körper darauf reagiert, wenn er "kontrolliert hochgefüttert" wird. Dazu hatten die Wissenschaftler um Michael Rosenbaum von der Columbia University (New York) 41 Probanden (18 Fettleibige und 23 Normalgewichtige, die noch nie fettleibig waren) untersucht. Das Ergebnis: Wenn mehr gegessen wird, als der Körper eigentlich benötigt, dann steigt der Energieumsatz - also das "Kalorienverbrennen" an. Und zwar "stärker als erwartet", sagt Dr. Michael Boschmann, Stoffwechselexperte an der Charité Universitätsmedizin in Berlin.

Das heißt konkret, wenn von einem Tagesbedarf von etwa 2000 kcal ausgegangen wird: Isst man jeden Tag zwei Prozent über den Bedarf hinaus (ungefähr 50 kcal, das entspricht nur in etwa zwei Stücken Schokolade), so müssten sich theoretisch nach einem Jahr etwa 18 000 überschüssige Kalorien angesammelt haben. Das käme einer Gewichtszunahme von zweieinhalb Kilogramm gleich. Praktisch sehe es jedoch anders aus, so Boschmann: "Zwischen dem 25. und 55. Lebensjahr nimmt man durchschnittlich etwa zehn Kilogramm zu, das entspricht nur etwa 0,3 Kilo pro Jahr - obwohl bekanntermaßen häufig über den Bedarf gegessen wird." Der Körper versucht also, so lange wie möglich sein Ausgangsgewicht zu halten.

Eine überraschende Erkenntnis für die Forscher. Und eine gute Nachricht für alle, die es mit dem Schlemmen während der Festtage übertrieben haben. Denn, so Boschmann: "Es ist nicht schlimm, mal ein paar Tage über die Stränge zu schlagen." Auch hier zeigt sich die Flexibilität des Stoffwechsels: Wenn wieder weniger gegessen wird, stellt sich der Körper darauf ein und "verlangt nicht mehr", so Prof. Klaus.

Und es gibt noch eine gute Nachricht: Die vermeintlich hochkalorische Ente liefert gar nicht so viele Kilokalorien wie viele meinen. 100 Gramm Ente (etwa eine halbe Portion) haben ungefähr 174 Kilokalorien - aber das ist nicht die Kalorienmenge, die wir tatsächlich aufnehmen und verarbeiten. Das liegt an der sogenannten nahrungsinduzierten Thermogenese: Ein bestimmter Anteil jedes Nährstoffs wird vom Körper im Zuge der Verdauung in Wärme umgewandelt - und schlägt somit nicht auf dem Kalorienkonto zu Buche.

Dieser Anteil ist bei jedem Nährstoff anders: Fett wird lediglich zu zwei bis drei Prozent in Wärme umgewandelt, Kohlenhydrate immerhin zu etwa sieben Prozent. An erster Stelle steht mit 25 bis 30 Prozent Eiweiß. Boschmann: "Ente enthält mit rund 26 Prozent viel Eiweiß. Das bedeutet, dass von den 174 kcal wegen der Thermogenese 32 kcal, also 18 Prozent abgezogen werden können - und nur 142 kcal für 100 Gramm Ente übrig bleiben."

Wer meint, Fisch sei in jedem Fall noch vorteilhafter, was die Energiebilanz angeht, der irrt: "Bei 100 Gramm Hering stammen ganze 157 kcal aus Fett, und nur 82 kcal aus Eiweiß", sagt Boschmann. Beim Gänsebraten sei dies ähnlich verteilt, deswegen bewegt sich das thermogene, also "kalorienverbrauchende" Potenzial der beiden typischen Festtagsgerichte in einem ähnlichen Bereich. In Zahlen bedeutet das: Hier können nur zwölf Prozent abgezogen werden. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, was für Beilagen es dazu gibt.

Wer es an den Feiertagen oder im übrigen Jahr mit dem Essen ein bisschen übertreibt, aber dennoch möglichst wenig zunehmen möchte, dem rät Michael Boschmann, besonders auf den Fett-, Zucker- und Salzgehalt der Mahlzeiten zu achten. Denn diese Anteile begünstigen besonders die Zunahme der Fettdepots. Dazu gibt der Stoffwechselexperte einen Tipp: Auf nüchternen Magen getrunken, erhöht Wasser den Energieumsatz um etwa 30 Prozent und wirkt so als Stoffwechselaktivator.

Wichtig sei außerdem, auf Bewegung zu achten und "Genussmittel wieder beim Wort zu nehmen", es also mit Süßigkeiten und alkoholischen Getränken nicht zu übertreiben - sie sich aber auch nicht verbieten. Denn: "Verbote bringen gar nichts. Höchstens Frust."