Zehn Jahre Mammografie-Screening: Rund 500.000 Frauen nahmen das Angebot an. Meist kann Krebs ausgeschlossen werden.

Vor zehn Jahren, genau am 18. April 2008, startete das Mammografie-Screening in Hamburg. Gut eine Million Einladungen zur Teilnahme an dieser Früherkennungsuntersuchung wurden bis heute an Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren aus Hamburg versandt.

Etwa 500.000 der Angeschriebenen nahmen dieses kostenlose Angebot an und ließen sich testen. Die Diagnose Krebs, die in Deutschland jährlich etwa 70.000 Frauen bekommen, stellten die verantwortlichen Ärztinnen in den zehn Jahren in 3450 Fällen. Die weit überwiegende Mehrheit der Frauen erhielt also die Bestätigung, dass sie gesund sind. De facto sucht das Mammografie-Screening nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen, also nach einem Ereignis, das äußerst selten auftritt.

„Bei sechs von 1000 untersuchten Frauen haben wir im Screening Tumore entdeckt, überwiegend im Frühstadium. Das kann die Chancen erhöhen, dass der Krebs noch nicht gestreut hat und die Brust erhalten werden kann“, sagt Dr. Maria Schofer. Die Radiologin ist, wie es im Krankenkassendeutsch heißt, eine der programmverantwortlichen Ärztinnen. Sechs Krebsfälle auf 1000 Untersuchungen – lohnt sich dann dieser Aufwand? „Selbstverständlich. Onkologen sind sich einig, dass die Früherkennung ein Grund ist, warum trotz steigender Zahl der Erkrankten, die Heilungsrate deutlich steigt“, sagt die Ärztin.

Zuverlässige Technik, auch kleine Tumore zu entdecken

Der andere, nicht minder wichtige Grund sei, dass die Behandlungsstrategien effizienter geworden sind – und oft weniger belastend. Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. „Deshalb laden wir ab da zum Screening ein. Die Mammografie ist für Frauen ab diesem Alter eine sehr zuverlässige Technik, um auch kleine Tumore oder Vorstufen sichtbar zu machen“, erläutert Dr. Schofer.

Info: Röntgen

Seit Wilhelm Conrad Röntgen im November 1895 die nach ihm benannten Röntgenstrahlen entdeckte, experimentierten Ärzte weltweit mit dieser energiereichen Strahlung – auch um Brustkrebs zu diagnostizieren. Aber es dauerte Jahrzehnte, bis diese Strahlung im medizinischen Alltag dazu auch verwendet wurde.

 

Knapp 20 Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen, im Jahr 1913 veröffentlichte der Berliner Chirurg Albert Salomon in Deutschland die erste Publikation zur Anwendung von Röntgenstrahlen bei Brustkrebs. Das schreibt das „Siemens MedMuseum“. Dabei entwickelte der Pionier auf diesem Gebiet die Technik an 3000 Operationspräparaten der Brust und nicht am lebenden Menschen.

 

Seine beeindruckenden Forschungsergebnisse wurden gleichwohl nur langsam wahrgenommen. Erst weitere 14 Jahre später, im Jahr 1927 fertigte der Chirurg Otto Kleinschmidt am Leipziger Universitätsklinikum die weltweit erste klinische Mammographie an. Damit war der erste Schritt in den medizinischen Alltag getan. Es war der Beginn der präoperativen Mammographie, die später routinemäßig vor eine Operation eingesetzt wurde.

 

Als nächstes nutzten Ärzte die Technik, um zu bei verdächtigen (Tast-)befunden zu überprüfen, ob sich das Brustgebewebe pathologisch verändert hatte (diagnostische Mammographie). Seit Anfang der 1970-er Jahre wird die Mammografie auch im Screening eingesetzt. Heute ist sie aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken.

 

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Zugleich ist nach Berechnungen von Strahlenbiologen das Risiko, durch die Strahlung einer Mammografie einen Brustkrebs auszulösen, ab dem 50. Lebensjahr zu vernachlässigen. Der Grund ist, dass das Brustgewebe mit zunehmendem Alter immer weniger sensibel auf Röntgenstrahlung reagiert. „Da ganz überwiegend gesunde Frauen zu uns kommen, wollen wir natürlich nicht, dass sie durch die Untersuchung krank werden“, betont die Medizinerin

Allerdings ist das Screening keine Garantie, dass bis zum nächsten Termin zwei Jahre später nicht doch Brustkrebs auftritt. „Wir betonen immer, dass wir durch Mammografie etwa 80 Prozent der Karzinome entdecken – die restlichen entwickeln sich zwischen den Untersuchungen. Deshalb sollten die Frauen unbedingt ihre Brust regelmäßig abtasten, um Veränderungen möglichst früh zu bemerken“, betont die Ärztin und weist auch gleich noch darauf hin, dass Früherkennung von Brustkrebs eben keine Vorsorge sei.

Sieben Tage nach dem Mammografie-Screening kommt der Befund

Nicht immer kommen die beiden besonders geschulten Medizinerinnen, die – und das ist eine Besonderheit des Screenings – unabhängig voneinander die Mammografie-Bilder begutachten, zu einem eindeutigen Befund. „Bei unklaren Befunden, die sich bei etwa 30 von 1000 Untersuchungen ergeben, bieten wir den Frauen mit dem Schreiben sofort ein weiteres Gespräch an.“

Konkret heißt das: Spätestens sieben Werktage nachdem die Frau zum Screening war, erhält sie per Post ihren Befund. Ist dieser unklar, bieten die Ärztinnen in der darauffolgenden Woche einen Termin zu Abklärung an. Sie überprüfen dann den Befund mit Ultraschall und möglicherweise weiteren Röntgenaufnahmen. Bei 80 Prozent können sie danach Entwarnung geben. Wenn nicht, kann die Frau am gleichen Tag eine Gewebeuntersuchung durchführen lassen. Stimmt sie dieser zu, erhält sie zugleich einen Gesprächstermin für den übernächsten Tag – dann liegen alle Untersuchungsergebnisse vor.

„Zweifellos sind diese zweieinhalb Wochen, die diese Unklarheit anhält, für alle Frauen psychisch und auch physisch extrem belastend, selbst wenn sie nicht an Krebs erkrankt sind“, betont Dr. Schofer und fügt bedauernd hinzu: „Aber wir können diese sogenannten Fehlalarme nicht vermeiden, sonst übersehen wir möglicherweise Tumore.“

Überdiagnosen kommen immer noch vor

Im Screening werden aber auch Tumore erkannt, die den Frauen lebenslang keine Beschwerden verursacht hätten. „Diese Überdiagnosen gibt es beispielsweise bei den langsam wachsenden Vorstufen von Krebs“, räumt die Ärztin ein. „Wenn wir mehr über die Biologie der Vorstufen lernen, können wir zielgerichteter behandeln. Bislang wissen wir nur, dass einige Vorstufen sehr langsam wachsen, während andere sehr aggressiv sind. Letztere treten in unserem Screening deutlich häufiger auf.“

Wie viele Überdiagnosen es gibt, ist wissenschaftlich nicht exakt bestimmbar. Über die Frage, ob die Frauen im höheren Alter nicht viel eher an anderen Krankheiten als an diesem Krebs gestorben wären und die Behandlung somit überflüssig war, streiten sich die Experten daher.

Seltener wird, wie die Daten des Nationalen Krebsregisters zeigen, Brustkrebs erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Das erhöht die Heilungschancen. „Dieser Effekt ist auf das Screening zurückzuführen“, sagt Dr. Schofer und ergänzt: „Er wäre noch höher, wenn mehr Frauen an dem Screening teilnähmen.“ Auch deshalb wirbt die Ärztin entschieden für das Screening. „Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich gesund bin. Aber wenn ich an Krebs erkrankt sein sollte, will ich, dass dieser ungebetene Gast so früh wie möglich aus meinem Leben verschwindet.“

Weitere Informationen findet man unter www.mammo-programm.de. Dort wird unter anderem erläutert, wer zu den Risikogruppen zählt. So sind weniger als zehn Prozent der Brustkrebserkrankungen genetisch bedingt. Außerdem lässt sich unter www.g-ba.de/merkblatt-mammographie/ eine Broschüre mit Informationen herunterladen.