Berlin. Das Umweltbundesamt liefert erstmals Zahlen, wie gefährlich Stickstoffdioxid ist

Dieser Stoff spielt in der Debatte um Fahrverbote für Diesel die entscheidende Rolle: Stickstoffdioxid, kurz Stickoxide oder NO2. Aber wie gefährlich ist das Gas wirklich? Das Umweltbundesamt (UBA) hat das nun erstmals genauer für Deutschland untersucht. Das am Donnerstag veröffentlichte Ergebnis: Allein für das Jahr 2014 ließen sich bundesweit rund 6000 Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen auf die hohe Stickstoffdioxid-Belastung in der Luft draußen zurückführen. Das entspricht etwa 50.000 verlorenen Lebensjahren. Hinzu kommen 437.000 Diabetes-mellitus- und 439.000 Asthma-Erkrankungen. So stehen gut jeder 12. Diabetes-mellitus- und jeder siebte Asthma-Fall mit NO2 in Verbindung.

Heute sei von ähnlichen Zahlen auszugehen, so UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Sie folgerte: „Wir sollten alles unternehmen, damit unsere Luft sauber und gesund ist.“ Krautzberger legt sich somit einmal mehr mit der mächtigen Autoindustrie an und setzt die Bundesregierung unter Druck, für eine Modernisierung des Verkehrs zu sorgen. Die Umweltbeauftragte hatte in dieser Woche dazu bereits einen Vorschlag gemacht. Sie plädierte dafür, eine helle und eine dunkelblaue Plakette einzuführen, um stufenweise Fahrverbote umsetzen zu können.

Schon lange ist klar, dass nicht unbedenklich ist, was der Dieselmotor in die Luft bläst: neben Stickoxiden auch Feinstaub, krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und giftige Metalle. Für das Umweltbundesamt werteten Forscher des Helmholtz Zentrums München und der Freiburger IVU Umwelt GmbH nun Mess- und Modelldaten zur Stickstoffdioxid-Konzentration aus und kombinierten diese mit Zahlen zur Bevölkerungsdichte. Das verknüpften sie dann etwa mit der Statistik zu Todesursachen. Sie hielten sich bei ihren Berechnungen an ein Konzept der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Anders gesagt: Sie haben analysiert, welchen Bedingungen Menschen, die erkrankt oder gestorben sind, über viele Jahre ausgesetzt waren. Anders ist es kaum denkbar, Erkenntnisse zu gewinnen. Die Methode ist immer wieder umstritten. Ein Risiko für die Bevölkerung lässt sich daran aber ausmachen. Krautzberger erklärte, die Resultate seien wissenschaftlich „solide“, fußten auf bewusst vorsichtigen, „zurückhaltenden“ Annahmen. So lägen die Ergebnisse an der „Untergrenze“, vermutlich sei die Krankheitslast noch höher. Dann fügte sie noch hinzu: „Das Stickoxidproblem ist nur eines von vielen im Verkehr.“ Dazu kämen Lärm, Klimagase, Feinstaub. Letzterer verkürzt nach Berechnungen der Umweltbehörde sogar von 40.000 Menschen im Jahr das Leben. So gibt es vor allem in Städten, in denen ein Auto nach dem anderen über die Straßen rollt, laut Krautzberger eins: „Handlungsbedarf“.