Berlin. Experten streiten über Genschere Crispr. EuGH entscheidet über Auflagen

Eine Weizensorte, die gegen die gefürchtete Pilzkrankheit Mehltau resistent ist, oder stressresistente Maispflanzen: An der Züchtung solcher und anderer Kulturpflanzen arbeiten zahlreiche Pflanzenforscher. Viele nutzen dazu ein molekulares Werkzeug, das sich in rasantem Tempo in den Labors rund um die Welt verbreitet: Crispr/Cas9, kurz Crispr. Mit dieser Technik ist es möglich, das Erbgut und damit die Eigenschaften von Pflanzen und anderen Lebewesen präziser zu verändern als bisher.

Viele Forscher sehen großes Potenzial in der Technologie. Gentechnik-Kritiker hingegen fürchten, dass damit eine Vielzahl gentechnisch veränderter Pflanzen geschaffen, schlimmstenfalls unkontrolliert angebaut und letztlich den Verbrauchern unwissentlich untergejubelt werden könnte. Beide Seiten warten derzeit mit Spannung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die entscheidende rechtliche Bewertung von Organismen liefern soll, die mit Crispr und vergleichbaren Techniken erzeugt wurden. Die Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet. Die Frage ist: Handelt es sich dabei um gentechnisch veränderte Organismen (GVOs), die unter die strengen Auflagen des europäischen Gentechnikrechts fallen? Sie müssten dann auch ein Zulassungsverfahren durchlaufen und gekennzeichnet werden. Oder sind die Crispr-Produkte keine GVOs, weil sie in vielen Fällen von Pflanzen, die natürlich entstanden sind oder mit konventionellen Züchtungsmethoden erzeugt wurden, ohnehin nicht zu unterscheiden sind? In diesem Fall dürften sie ohne spezielle Prüfung und Kennzeichnung in den Verkehr und auf den Markt gebracht werden.

In einer Stellungnahme des EuGH-Generalanwalts Michal Bobek zur rechtlichen Bewertung der Verfahren heißt es unter anderem, dass mit Crispr und vergleichbaren Verfahren erzeugte Organismen nicht als gentechnisch verändert anzusehen sind, solange die vorgenommenen Veränderungen auch auf natürliche Weise entstanden sein könnten. Zu einem ganz anderen Schluss kommt der Rechtsexperte Ludwig Krämer. Er hat sich im Auftrag von Testbiotech – einem eher gentechnik-kritisch eingestellten Institut – mit der Stellungnahme befasst. Seiner Ansicht nach fallen die neuen Verfahren sehr wohl unter den Geltungsbereich der EU-Freisetzungsrichtlinie, welche die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen regelt. Pflanzen und Tiere, die damit verändert wurden, müssten in einem Zulassungsverfahren auf Risiken untersucht werden.