Bialowieza. Baumschlag im Unesco-Naturerbe – EU-Richter wollen sich heute erstmals äußern

Das Abholzen von Bäumen in Europas ursprünglichstem Wald brachte Polen bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Zwar stellte das Land die Arbeiten im Bialowieza vorerst ein, doch Umweltschützer warnen: Die Gefahr fürs Unesco-Naturerbe sei nicht gebannt. Heute will sich der EuGH erstmals zu dem Fall äußern.

Der rund 60.000 Hektar große ostpolnische Urwald, der sich in Weißrussland noch weiter erstreckt, unterliegt strengem Schutz. „Es gibt keinen natürlicheren Wald in Europa als diesen“, erklärt Professor Krzysztof Schmidt vom Biologischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Bialowieza biete Tausenden Pflanzen- und Hunderten Tierarten einen Lebensraum, darunter geschützten Spezies wie Wisent, Wolf und Luchs. „Wenn der Wald verändert wird, geht seine biologische Vielfalt unwiederbringlich verloren“, warnt Schmidt.

Bisher ist nur ein Teil des Waldes Nationalparkgebiet und darf nicht verändert werden. Der Rest wird unter Auflagen, die nun von den Regierenden missachtet worden seien, forstwirtschaftlich genutzt, sagt Umweltaktivistin Joanna Pawluskiewicz von der Organisation zur „Verteidigung Bialowiezas“. Sie schätzt: „6000 mit Holz beladene Lkws fuhren letztes Jahr aus dem Wald hinaus.“ Regierungsangaben zufolge habe eine „Borkenkäferplage“ die Abholzung erfordert. „Eine Lüge“, meint die Polin. Den Käferbefall könne der Wald selbst regulieren. „Das Forstamt ist ein Unternehmen und will mit dem Holzverkauf verdienen.“

Die Behörde bestreitet das: „Es geht nicht um Profit“, sagt Sprecher Jaroslaw Krawczyk. Seinen Angaben zufolge wurden 2017 etwa 150.000 Bäume gefällt – rund 100.000 mehr als in den Jahren zuvor. Alles legal, wie er betont. Die angehobene Abholzungsmenge sei durch eine vom Umweltministerium ergänzte Klausel der Vorschriften genehmigt worden. Die Maßnahme weckte den Argwohn der EU-Kommission. Sie forderte Polen zum Abholzungsstopp auf – ohne Erfolg. Erst der EuGH in Luxemburg brachte Polens Regierung durch Androhung hoher Geldstrafen im Dezember zum Einhalten. Polens Regierung zog die Bagger ab und versuchte, den durch die Umweltaffäre verursachten Imageschaden zu beheben.

Der umstrittene Umweltminister Jan Szyszko wurde ausgewechselt. Sein Nachfolger Henryk Kowalczyk sicherte zu, sich an das in den kommenden Wochen erwartete EuGH-Urteil zu halten, die Aktivisten aber trauen seinem Wort nicht. Den Wald könne nur die Umwandlung in Nationalparkgebiet schützen, meinen sie.