Newcastle. Die Fangschrecken sehen anders als Menschen, sie interessieren sich nur für Bewegung

Gottesanbeterinnen sind die einzigen Insekten, die ihre Umwelt dreidimensional sehen. Ihre Wahrnehmung aber funktioniert dabei grundsätzlich anders als beim Menschen und ist auf bewegte Objekte zugeschnitten. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Universität Newcastle. Ihre Studie wurde jetzt im Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlicht.

Seine Umwelt dreidimensional zu sehen, also die Entfernung von Objekten abschätzen zu können, gelingt dem Menschen durch die Überlagerung der Bilder von linkem und rechtem Auge. Aus den kleinen perspektivischen Unterschieden errechnet das Gehirn die räumliche Position eines Gegenstands.

Während räumliches Sehen für Primaten und die meisten Raubtiere selbstverständlich ist, kann es – soweit bekannt – unter den wirbellosen Tieren nur die Gottesanbeterin. Das Forscherteam aus Newcastle wollte nun untersuchen, ob sich die dreidimensionale Wahrnehmung der Fangschrecken von der des Menschen unterscheidet. Dazu klebten sie einer Gottesanbeterin mit Bienenwachs eine winzige 3-D-Brille vor die Augen und zeigten ihr Filme von sich bewegender Beute. Die räumliche Illusion war so eingestellt, dass die Film-Fliege etwa 2,5 Zentimeter vor der Gottesanbeterin schwebte, also genau in ihrem Fangbereich.

Zunächst probierten die Forscher es mit einem gleichmäßigen Muster aus hellen und dunklen Punkten als Hintergrund. Ein kleiner Fleck bewegte sich in Spiralform darüber – das Insekt versuchte, die 3-D-Fliege tatsächlich in der vorgetäuschten Entfernung zu fangen.

In einem zweiten Versuch zeigten die Forscher dem Tier jeweils zwei völlig unterschiedliche Bilder auf dem linken und dem rechten Auge. Wieder bewegte sich auf beiden Bildern ein Fleck so versetzt, dass er der Fangschrecke als vor ihr schwebende Beute erscheinen musste. Auch diesmal versuchte sie, die vermeintliche Fliege in entsprechender Entfernung zu fangen.

Ein Mensch könne bei diesem zweiten Versuch kein räumliches Objekt erkennen, da keine Unterschiede zwischen zwei nahezu gleichen Bildern erkennbar sind. Die Gottesanbeterin dagegen scheint nur die Unterschiede in der Bewegung zu sehen. Das erlaube ihr, auch perfekt getarnte Beute zu erkennen, wenn sie sich denn bewegt. Die neuen Erkenntnisse ließen sich in der Zukunft möglicherweise für das räumliche Sehen von Maschinen verwenden, hoffen die Forscher aus England.