Wien/Zürich. Arten wie die Heidelbeere profitieren in hohen Lagen, doch es gibt auch Verlierer

Der Klimawandel führt in den Alpen zu einer Flora „der ungleichen Geschwindigkeiten“. Eine Studie aus Österreich und der Schweiz zeigt, dass viele Alpenpflanzen von der Erderwärmung profitieren, etwa 20 Prozent aber unter starken Konkurrenzdruck geraten. Dazu zählen vor allem jene Arten, die in höheren Lagen wachsen, wie die Wissenschaftler in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften berichten.

Das Team um Sabine Rumpf von der Universität Wien hatte 183 Pflanzenarten in 1500 Alpenarealen in Deutschland, Österreich, Slowenien, Italien und der Schweiz untersucht. In diesen Gegenden hatten Biologen schon einmal vor 1970 die gesamte Pflanzenwelt erfasst. Erwartungsgemäß verlagerte der Temperaturanstieg die jeweiligen Schwerpunkte sowie die Grenzen der Verbreitungsgebiete in die Höhe – und zwar im Schnitt um 20 bis 35 Meter. Viele Pflanzen – 51 der 183 Arten – hätten davon profitiert, schreibt das Team. Sie kommen heute öfter vor als vor 1970. Dazu zählen etwa die Heidelbeere und der Alpenbrandlattich. „Der größte Teil der Alpenflora scheint sein gesamtes Verbreitungsgebiet langsam und gleichmäßig nach oben zu verschieben und vom Klimawandel bisher eher zu profitieren“, wird Erstautorin Rumpf in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert.

Knapp 20 Prozent der Arten jedoch seien Verlierer: Sie sind seltener geworden und besiedeln ein schmaleres Höhenspektrum als noch vor etwa 50 Jahren. „Diese 33 Arten, wie etwa die Alpenaster oder der Schnee-Enzian, sind bevorzugt in den höheren und höchsten von uns untersuchten Lagen zu finden“, sagt der Wiener Projektleiter Stefan Dullinger. „Es ist daher zu befürchten, dass alpine Arten neben direkten Klimawirkungen auch zunehmend mit konkurrenzstarken subalpinen und montanen Arten konfrontiert sein werden, die schneller nach oben wandern, als sie selbst dazu in der Lage sind.“ Die Verliererarten könnten demnach doppelt unter Druck geraten: Sie müssen sich nicht nur gegen den Klimawandel behaupten, sondern auch gegen immer mehr konkurrierende Pflanzen.

Als Ursache für die Veränderungen sehen die Forscher zwar vor allem den Klimawandel – aber nicht nur. So würden zum Beispiel Wiesen, die früher bewirtschaftet wurden, nun von den Pflanzen zurückerobert. Ein weiterer Faktor sei die zunehmende Verbreitung des Nährstoffs Stickstoff über die Luft bis in hohe Gebirgslagen.